Jede größere Stadt
auf der Welt hat ihr klassisches Vergnügungsviertel oder ihre Vergnügungsmeile,
wo an jedem Abend und vor allem an den Wochenenden, das Leben pulsiert und die meisten
Nachtschwärmer auf ihre Kosten kommen.
Auch Lissabon hat
solch ein Viertel – den Bairro Alto
(dt.: oberes Viertel).
Dieses Viertel hat
tagsüber eine recht ruhige und idyllische Atmosphäre, wo eine nachbarschaftliche
Gemeinschaft großgeschrieben wird.
Aber jede Nacht
verwandelt sich das Bairro Alto, mit all seinen urigen Bars, schicken Clubs, flippigen
Szenelokalen, traditionellen Restaurants und hippen Diskotheken in ein El
Dorado für Nachtschwärmer.
Am heutigen 15.
Dezember feiert dieses, auch im Ausland, berühmte Lissabonner Stadtviertel,
seinen 500. Geburtstag!
Wer heute durch die engen
Gassen des Bairro Alto geht, der kann sich nur schwer vorstellen, wie es hier
vor 500 Jahren ausgesehen hat, bzw. wie sehr sich diese Gegend hier in den
letzten fünf Jahrhunderten verändert hat.
Vor 500 Jahren gab es
hier auf dieser Anhöhe über der Altstadt von Lissabon nur Felder und Wiesen.
Hier wurde Landwirtschaft betrieben und vor allem
Weingärten, Weideflächen und Olivenhaine breiteten sich hinter der
fernandinischen Stadtmauer aus.
Noch
heute erinnern Straßennamen wie Rua da Vinha (dt.: Weinbergstraße), Rua do Loreiro
(dt.: Lorbeerstraße), Rua do Carvalho (dt.: Eichenstraße) oder Rua da Horta
(dt.: Gemüsegartenstraße) an diese Vergangenheit.
Damals gehörten die
Ländereien dem jüdischen Chirurgen und Astrologen Abraão
Guedelha Palaçano, der im 15. Jahrh. im Dienste der
portugiesischen Könige Duarte I und Afonso V stand.
Als unter
König Manuel I die Judenverfolgungen einsetzten, verkaufte die Witwe Guedelhas
den außerhalb der Stadtmauern liegenden Besitz an die zwei Edelleute Filipe Gonçalves
und Luis Atouguia, deren Erben 1513 mit seiner Erschließung und Parzellierung der
Gegend begannen.
Diese
Parzellierung erfolgte, dies ist urkundlich belegt, am 15. Dezember 1513!
So wurde
das Bairro Alto, deren erster Name eigentlich Vila Nova de Andrade war, mit
seinen fast rechtwinkeligen
Gassen und Straßen zum ersten Beispiel einer planmäßigen Urbanisierung in der
Geschichte Lissabons.
Einem
zeitgenössischen Bericht aus dem Jahre 1527 nach, standen in dem neuen Viertel,
gerade mal 14 Jahre nach seiner Gründung, schon bereits 408 Gebäude und ca.
1000 Menschen lebten hier.
Als sich im Jahre
1553 die Jesuiten am Rande des Viertels niederließen und mit dem Bau ihrer
Prunkkirche São Roque (port.: Igreja de São Roque)
begannen, kam das Bairro Alto so richtig in Mode.
In
unmittelbarer Nähe der Kirche ließen sich damals viele adelige Familien und
reiche Kaufleute ihre Stadtpalais und eleganten Häuser errichten.
Mit den Entdeckungsreisen
der portugiesischen Seefahrer flossen ab dem 16. Jahrh. aus Indien, Afrika und
Brasilien ungeahnte Reichtümer nach Portugal und ließen so das Handwerk und den
Handel in Lissabon florieren.
Dafür
brauchte man in der Stadt unbedingt neue Geschäftsviertel, zumal Lissabon nach
zwei großen Erdbeben so schwer beschädigt worden war, das man zusätzlich neunen
Wohnraum benötigte.
Also
ließen sich damals wie heute im Bairro Alto viele kleine Handwerker, Sattler,
Möbeltischler, Schuster, Barbiere, Bader und Kupferschmiede nieder und auch
Bäcker, Metzger, Trödler, Krämer Drucker und Gemüsehändler eröffneten hier ihre
Läden.
Das
Bairro Alto wurde mit den Jahren zu dem geschäftigsten Stadtteile Lissabons und
sein Auftrieb war so bedeutend, das im Jahre 1742 König João V dem Viertel
sogar einen autonomen Status einräumte.
Mit
diesem autonomen Status sollte die Wirtschaft weiter gestärkt werden, aber auch
die steigende Kriminalität und die Prostitution im Viertel sollten leichter kontrolliert
und bekämpft werden.
Im Bairro
Alto wurde 1759 die erste „grüne“ Verordnung Portugals erlassen. Damals war das
Viertel so dicht bevölkert, das es zunehmend Probleme mit der Müllbeseitigung
gab. Und so wurde damals per Gesetz erlassen, dass die Bewohner des Viertels
keine Esel und Pferde mehr halten durften und auch das Beschmutzen der Straßen
mit Unrat und Abfällen wurde ihnen bei Strafe verboten.
Verboten
wurde ihnen auch der Bau von Holzhütten, da diese das Bild des Bairro Alto „störten“,
wie es damals hieß.
Ende des
18. Jahrh., das Bairro Alto hatte das große Lissabonner Erdbeben vom 01.
November 1755 ziemlich unbeschadet überstanden, siedelten sich hier viele
Druckereien, Verlage und
Zeitungshäuser
an.
Die beiden
Straßennamen Rua do Século, benannt nach der nicht mehr existierenden Zeitung „O Século“, und Rua
do Diário de Noticias, benannt nach der heute noch erscheinenden Tageszeitung
„Diário de Noticias“, zeugen davon.
Die
Zeitungsverlage mussten dann, in Folge der Industrialisierung, mit den Jahren aus
dem Viertel wegziehen.
Nur die
Antiquitätengeschäfte, die Boutiquen, die Restaurants, die Fadolokale und die
vielen Bars sind dem Bairro Alto geblieben.
Sie geben
noch heute diesem Lissabonner Stadtviertel, das jeden Einwohner und Besucher die
verschiedenen Facetten seiner Welt im Kleinen spüren lässt, etwas ganz
besonderes.
Und auch
die Probleme mit denen sich das Bairro Alto und die Lisabonner Stadtverwaltung
heute herumschlagen müssen, wie die steigende Prostitution, die Drogen, das
verbotene Glücksspiel oder die bedenkenlose Ausbeutung der Untermieter, werden
daran nichts ändern.
Das
Bairro Alto wird sich immer wieder neu erfinden und überleben – bestimmt noch
die nächsten 500 Jahre.
Happy Birthday Bairro Alto!
Danke, für diese vielen tollen Infos. Soviel stand damals im Reiseführer nicht drin :-)
AntwortenLöschenLiebste Grüße zu dir :-)