Sonntag, 17. November 2013

Alcobaça



Als ich gestern mit meiner lieben Freundin Annette nach Hause fuhr, lief im Auto das Radio.
Wir hatten den Sender „Rádio Amália FM- 92.0 FM Lisboa“ an, und hörten angenehme Fadomusik. Meiner persönlichen Meinung nach, ist dieser Radiosender hierzulande der beste im Äther, der diese Art von Musik spielt.
Eines der Lieder, das während der Fahrt gespielt wurde, und das Annette wegen seines angenehmen Taktes besonders gut gefiel, war der Evergreen „Alcobaça“ aus dem Jahre 1955, der von der populären Fadosängerin Maria de Lourdes Resende gesungen wurde.
Annette wollte nun von mir wissen, von was dieser Fado handelt, bzw. worüber Maria de Lourdes Resende singt.

Ich habe ihr gesagt, dass dieses Lied so eine Art „Liebeserklärung“ an eine sehr schöne mittelportugiesische Kleinstadt ist, die den Namen Alcobaça trägt, und die ca. 100 km nördlich von Lissabon liegt.
Annette, die erst seit kurzem von Mönchengladbach hier nach Portugal gezogen ist, sagte, sie hätte noch nie etwas von Alcobaça gehört, meinte aber, die Stadt müsse wohl etwas besonderes sein, wenn man ihr sogar ein „Liebeslied“ widmet.
Ich versprach ihr, bei Gelegenheit, mit ihr einen Abstecher nach Alcobaça zu machen, damit sie sich dann selber eine Meinung machen könne.

Alcobaça ist wirklich ein sehr schöner Ort.
Mit seinen ca. 57.000 Einwohnern liegt die Stadt in der ehemaligen Provinz Estremadura, in dem heutigen Distrikt Leiria, in Zentralportugal.
Schon die alten Römer lebten hier, und nannten ihre reizvoll zwischen den zwei Flüsschen Alcoa und Baça gelegene Siedlung „Helcobatiae“.
Nach den Römern kamen die Mauren, bauten eine mächtige Burg, von der heute nur noch Trümmern existieren, und nannten den Ort „Al-cobaxa“, was ins deutsche übersetzt soviel wie „Schafbock“ oder „Widder“ heißt.
Man ist sich heute uneins darüber, ob das arabische „Al-cobaxa“ Namensgeber des heutigen Alcobaça ist, oder ob sich der Name der Stadt aus den zwei Flüsschen Alcoa und Baça zusammensetzt, die den Ort durchfliesen.

Die Araber blieben bis 1147, dem Jahr als die Truppen des portugiesischen Königs Afonso Henriques den Ort von den muslimischen Mauren, im Zuge der Befreiung der Stadt Santarém, eroberten.
Im Jahre 1154, sieben Jahre nach der Besitznahme des Ortes, schenkte König Afonso Henriques seinem Freund, Glaubensbruder und Mitstreiter Bernhard von Clairvaux (port.: Bernanrdo de Claraval, fr.: Bernard de Clairvaux), die Stadt Alcobaça und riesige angrenzende Ländereien, zum Zwecke der Gründung eines Klosters.
Bernhard von Clairvaux, ein Zisterziensermönch und späterer Heiliger, hatte seinen Freund Afonso Henriques bei den schwierigen und langwierigen Verhandlungen über die päpstliche Anerkennung des neu geschaffenen Königreiches Portugal treu und tatkräftig zur Seite gestanden, und beim damaligen Papst Eugen III ein gutes Wort für den Portugiesen eingelegt.

Im Jahre 1178 begann der Orden mit dem Bau des Klosters der Heiligen Maria von Alcobaça (port.: Mosteiro de Santa Maria de Alcobaça), der 1222 mit seinen wesentlichen Teilen fertig gestellt war, aber in den folgenden Jahrhunderten zahlreiche und weitreichende Veränderungen über sich ergehen ließ.
Gemäß der Ordensregeln der Zisterzienser beherbergte das Kloster stets „einen weniger als tausend“, also 999 Ordensbrüder, die in den Flusstälern des Alcoa und Baça Obstgärten und Weinberge anlegten und damit die Grundlage für das noch heute bedeutendste Obstanbaugebiet Portugals schufen. Die Mönche richteten hier in ihrem Kloster bereits im 13. Jahrh. die erste öffentliche Schule des Königreiches ein, von der später wesentliche Impulse zur Gründung der ältesten portugiesischen Universität in Coimbra ausgingen.
Zwischen dem 13. und 18. Jahrh. galt der Zisterzienserorden von Alcobaça (port.: Ordem de Cister de Alcobaça) zweifelsohne als eines der bedeutendsten Geisteszentren im Lande, das sogar den portugiesischen Königen manchmal als Zufluchts- und zur Meditationsort diente.

Der in seinen Grundlagen gotische Bau ist ein genaues Abbild der französischen Abtei von Clairvaux, dem Mutterkloster aller Zisterzienserabteien. Der Bau bedeckt einen annährend quadratischen Grundriss und umschließt neben der mächtigen Kirche und den üblichen Wirtschaftsräumen fünf Kreuzgänge, sieben Dormitorien, ein Hospendarium, eine Bibliothek und eine riesige Küche.
Im Querschiff der eindrucksvollen Klosterkirche, der größten Kirche ganz Portugals, stehen zu beiden Seiten des Hauptschiffes die prunkvollen Grabmäler von König Pedro I und seiner Geliebten Ines de Castro, die einstmals auf Geheiß von Pedros Vater, König Afonso IV, ermordet und von Pedro nach seiner Thronbesteigung exhumiert und post mortem in Coimbra in aller Form zur Königin gekrönt wurde.
Auf Wunsch Pedros wurden die Grabmäler in der Kirche so aufgestellt, dass sich die beiden Liebenden bei der Auferstehung am Jüngsten Tag sogleich erblicken können (die tragische Liebesgeschichte zwischen Pedro und Ines werde ich in einen meiner nächsten Blogeinträge hier in „Planet Portugal“ gerne erzählen).
Leider weisen die Sarkophage von Ines und Pedro, genauso wie andere Kunstschätze in der Kirche, erhebliche Beschädigungen auf. Diese entstanden im Jahre 1811, als die Truppen Napoleon Bonapartes Portugal überfielen, das Land gewaltsam besetzten und damals mutwillig alles zerstörten, was ihnen in die Quere kam.
Die Grabmäler der portugiesischen Könige Afonso II und Afonso III, die auch in der Klosterkirche von Alcobaça beigesetzt sind, weisen leider ebenfalls schwere Schädigungen aus dieser Zeit auf.

Im Jahre 1834 fand in Portugal die Trennung von Kirche und Staat, die so genannte Säkularisierung, statt, was zur Folge hatte, das alle Klöster des Landes aufgelöst wurden und sie fortan zu höchst profanen Zwecken verwendet wurden.
Dieses Schicksal blieb auch dem Kloster von Alcobaça nicht erspart.
Ein Jahr vor der Säkularisierung, 1833, wurde die Abtei geplündert und man brachte in dem Gebäude zuerst eine Kaserne unter, dann ein Altenheim und nach diesem, wurde aus dem Anwesen ein Lagerhaus, das danach zusehends verfiel.
Erst im Jahre 1930, knapp 100 Jahre nach seiner Aufgabe, besann man sich der kunsthistorischen Bedeutung des Klosters, renovierte es und stellte es unter Denkmalschutz.
1989 wurde der Mosteiro de Alcobaça in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen.

Wie früher, so gilt Alcobaça auch heute noch landwirtschaftlich, kulturell und industriell als eine der wichtigsten Regionen Portugals. Vor allem der Obstanbau und die Keramikindustrie sind über die Stadtgrenzen hinaus im ganzen Land berühmt.
Ein anderer bedeutender Industriezweig der Stadt und ihrer Umgebung ist zweifelsohne der Tourismus.
Alcobaça und sein Umland tragen seit der Jahrtausendwende den Beinamen „Terra da Paixão“ (dt.: „Land der Leidenschaft“), in Anlehnung an die Liebesgeschichte von Pedro und Ines.
Hier, im „Land der Leidenschaft“ liegen außer Alcobaça, noch einige andere geschichtsträchtige Orte und Landschaften, wie Leiria, Nazaré, Caldas da Rainha, Batalha, Aljubarrota oder Fatima.

Alcobaça ist eine sehr gastfreundliche Stadt, weitab vom hektischen Großraum Lissabons, die ihre Gäste für gewöhnlich mit offenen Armen empfängt und in der man sich als Besucher immer sehr wohl fühlt.
Ich werde demnächst mit Annette Alcobaça besuchen und ich bin mir sicher, dass wir dann in den Genuss dieser zitierten Gastfreundschaft kommen werden.
Ich werde dann hier im Blog gerne darüber berichten!

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