Montag, 2. Januar 2012
Guimarães
In meinem Blogeintrag „Guimarães 2012 – Programm einer Kulturhauptstadt“, vom 10. Dezember 2011, berichte ich über die einzelnen Programmfelder der diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt.
Da nicht jeder außerhalb Portugals so richtig mit „Guimarães“ etwas anfangen kann, will ich all denen, die weder wissen wo die Stadt liegt, noch welche Sehenswürdigkeiten Guimarães zu bieten hat, hier einmal diesen wunderbaren und geschichtsträchtigen Ort ein wenig näher bringen.
Das im Norden Portugals, am Fuße der Serra de Santa Catarina gelegene Guimarães, liegt im Distrikt Braga in der alten Provinz Minho und wird von uns Portugiesen ehrfurchtsvoll als „Berço da Nação“, als „Wiege der Nation“, bezeichnet.
Diesen Beinamen verdankt Guimarães der Tatsache, das sie einst die erste Hauptstadt des neu gegründeten Königreiches Portugals und aller Wahrscheinlichkeit auch Geburtsort des ersten Königs des Landes, Afonso Henriques, war.
Zwar sind in den letzten Jahren Zweifel darüber aufgekommen ob Afonso Henriques wirklich in Guimarães geboren wurde, oder vielleicht doch in der Stadt Viseu das Licht der Welt erblickte, aber den Titel als „Wiege der Nation“ kann Guimarães keiner nehmen.
Aber auch wenn es in letzter Zeit darüber Zweifel gab, ob Afonso Henriques ein Sohn der Stadt Guimarães ist oder nicht, so gibt es wahrlich andere Männer und Frauen die mit Sicherheit von sich behaupten können Vimaranenses zu sein – so werden nämlich die Bürger der Stadt Guimarães genannt.
Es sind dies, unter anderem, der Dramatiker und Theaterpionier Gil Vicente, der hier 1465 geboren wurde, die Leichtathletiklegenden und Zwillingsbrüder Dionísio und Domingos Castro, die hier 1963 das Licht der Welt erblickten, der Historiker Alberto Sampaio, Jahrgang 1841, nach dem eines der schönsten Museen der Stadt benannt wurde und die Operndiva Elisabete Matos, die, wie es sich für eine richtige Diva gehört, ein Staatsgeheimnis aus ihrem Geburtsjahr macht.
Guimarães hat schätzungsweise 60.000 Einwohner und liegt zwischen den Städten Porto und Braga.
Sie ist unweigerlich mit der historischen Gründung Portugals verbunden.
Als Gründerin der Stadt gilt die aus Galizien stammende Gräfin Mumadona Dias. Sie ließ um das Jahr 960 herum, dort wo sich heute der Platz Largo da Oliveira erstreckt, eine Klosterburg errichten, nämlich den Castelo Vimaranes.
Die Klosterburg sollte das Kloster, und die wenigen Häuser die es damals umgaben, vor den Angriffen der arabischen Mauren und Normannen schützen.
Genau dort, wo sich einst der Castelo Vimaranes befand, steht heute die Kirche Igreja de Nossa Senhora da Oliveira.
Mit seiner wohlerhaltenen Altstadt, seinen unzähligen Gassen und Gässchen, seiner kulturellen Vielfalt und einer Fülle an historischen Baudenkmälern und bedeutenden Kunstschätzen ist Guimarães zu recht zur diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt 2012 gewählt worden.
Mit den vielen auffallenden, für portugiesische Verhältnisse durchaus nicht selbstverständlichen, Grünanlagen macht Guimarães auf seine Besucher einen freundlichen Eindruck.
Die malerische Altstadt mit ihren stattlichen Granithäusern, die mit eisenvergitterten Balkonen und einem reichen Blumenschmuck aufwarten können, bildet den historischen Mittelpunkt der Stadt.
Über der Stadt erhebt sich die düster-mächtige, von einem Kranz hoher schlanker Zinnen gekrönte Stadtburg (port.: Castelo da Cidade) aus dem 10. Jahrhundert. Sie ist zweifelsohne eine der eindruckvollsten Wehrburgen Portugals.
Hier soll im Jahre 1110 der schon erwähnte erste König Portugals, Afonso Henriques, geboren worden sein, was dem Bauwerk erst recht den Charakter einer nationalen Weihestätte verleiht.
Etwas unterhalb des Burgeinganges befindet sich die kleine aber wuchtige Burgkapelle São Miguel do Castelo aus dem Jahre 1105. In ihr soll der kleine Afonso Henriques getauft worden sein. Beim Taufbecken handelt es sich aber heute nur um eine Kopie. Das Original befindet sich in der Kirche Igreja de Nossa Senhora da Oliveira, mitten in der Stadt.
Aber die Burg ist nur eines der vielen historischen Bauwerke die man in Guimarães besichtigen und bewundern kann.
Sehenswert sind auch, unter anderem, die folgenden Bauwerke:
• Paço dos Duques de Bragança (dt.: Palast der Herzöge von Bragança) – Der von Grünanlagen umgebene und ausgedehnte Paço Ducal war einmal der Palast der Herzöge von Bragança. Er wurde Anfang des 15. Jahrhunderts, auf Anweisungen von Afonso, dem ersten Herzogs von Bragança, im französischen Geschmack der damaligen Zeit errichtet. Mit der Verlegung der Residenz der Herzöge, Anfang des 16. Jahrhunderts, nach Vila Viçosa im Alentejo, verkam der gotische Prachtbau zunehmend. Erst im 20. Jahrhundert wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten an dem Palast vorgenommen, so dass wir ihn heute in seiner vollen Pracht bewundern können.
• Largo da Oliveira (dt.: Platz des Olivenbaums) – Dieser, mitten in der Altstadt gelegene Platz, hat sich seinen mittelalterlichen Charakter größtenteils bewahren können. Verschiedene historische Gebäude gruppieren sich um diesen Platz. Einer von ihnen ist das Alte Rathaus (port.: Antigos Paços do Concelho) an der Nordseite des Platzes. In ihm ist heute das Stadtarchiv untergebracht. Der Bau mit seinen spitzbogigen Arkaden wurde unter König João I im 14. Jahrhundert begonnen und im 17. Jahrhundert grundlegend umgestaltet. In der Platzmitte steht eine gotisch-manuelinische Siegeshalle (port.: Alpendre), zum Gedenken an die Schlacht von Rio Salado im Jahre 1340. Bei der Schlacht von Salado (port.: Batalha de Salado) besiegten damals die verbündeten portugiesischen und kastilienschen Truppen die Streitkräfte des Sultans von Marokko.
• Igreja de Nossa Senhora da Oliveira (dt.: Kirche Unserer lieben Frau vom Olivenbaum) – Diese Kirche liegt am historischen Largo da Oliveira (port.: Platz des Olivenbaums). An der stelle der heutigen Kirche befand sich im 10. Jahrhundert die Klosterburg Castelo Vimaranes. König Afonso Henriques ließ dann im 12. Jahrhundert zum Dank für die erfolgreich geschlagene Schlacht von Ourique (port.: Batalha de Ourique) hier eine Kirche errichten, die dann zwischen 1387 und 1400 auf Anweisung von König João I zum Gedenken an die Schlacht von Aljubarrota (port.: Batalha de Aljubarrota) erheblich erweitert wurde. So wie sich die Kirche heute präsentiert, stammt sie weitgehend aus dem 16. Jahrhundert. Der manuelinische Glockenturm wurde im Jahre 1505 angefügt. Besonders Sehenswert in dieser Kirche ist das steinerne romanische Taufbecken aus der Kirche São Miguel do Castelo, über dem Afonso Henriques einstmals getauft worden sein soll. Die Bürger von Guimarães haben eine sehr enge Bindung zu dieser Kirche, denn sie beherbergt die Schutzpatronin der Stadt.
• Museu de Alberto Sampaio (dt.: Museum Alberto Sampaio) – Das im Kreuzgang der Kirche Igreja de Nossa Senhora da Oliveira beheimatete Museum für sakrale Kunst Alberto Sampaio bewahrt eine einzigartige Kollektion an Gemälden und Plastiken portugiesischer Meister aus dem 16. Jahrhundert, sowie wertvolle Goldschmiedearbeiten und eine kostbare Sammlung historischer Gewänder und Möbel.
• Igreja dos Santos Passos (dt.: Kirche der Heiligen Schritte) – Am Largo do Brasil, einem der schönsten Plätze der Stadt, liegt die zweitürmige Barockkirche Santos Passos aus dem 18. Jahrhundert. Sie ist mit einem reichen Azulejoschmuck und wunderschönen italienisch beeinflussten Dekorplastiken ausgestattet. Die Kirche ist dem Stadtheiligen São Gualter gewidmet.
• Igreja de São Francisco (dt.: Sankt Franziskuskirche) – Diese Kirche wurde um das Jahr 1400 von König João I gestiftet und später barock umgestaltet. Ihr weiter Innenraum ist ganz und gar mit Azulejos ausgekleidet und ihre Sakristei wird von einer wuchtigen Kassettendecke gekrönt.
• Museu de Martins Sarmento (dt.: Museum Martins Sarmento) – Dieses, in einem ehemaligen Dominikanerkloster untergebrachte Museum, beherbergt die größte und wichtigste archäologische Sammlung der Stadt und ihrer Umgebung.
• Convento de Santa Clara (dt.: Kloster Santa Clara) – In diesem alten Kloster befindet sich heute das Rathaus der Stadt.
Dies sind nur einige der vielen Sehenswürdigkeiten die die Kulturhauptstadt Europas des Jahres 2012 ihren Gästen zu bieten hat.
Wenn ein Fremder die Seele Portugals kennen lernen möchte, dann sollte er sich auf den Weg mach Guimarães machen.
Nur dort wird er sie, wenn überhaupt, antreffen können!
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