Mittwoch, 30. November 2011
Die zweite Belagerung von Lissabon
In meinem post-Eintrag „Die Erste Belagerung und Eroberung von Lissabon“, vom 15. Oktober 2011, berichte ich, wie es der Titel deutlich macht, von der ersten Belagerung der Stadt Lissabon im Jahre 1147 durch die Portugiesen.
Wann immer die Bezeichnung „Erstes“ vor einem Geschehnis oder Ereignis steht, gibt es für gewöhnlich dann auch immer mindestens ein „Zweites“, wenn nicht gar ein „Drittes“, „Viertes“ usw. das folgt.
Im Falle der portugiesischen Hauptstadt gab es nach der ersten leider noch eine zweite Okkupation der Stadt, die dann auch als die „Zweite Belagerung von Lissabon“ (port.: „Segundo Cerco de Lisboa“) in die Geschichte einging.
Genau 237 Jahren nach der ersten Belagerung und Eroberung Lissabons durch die Truppen Afonso Henriques, bei der sie den moslemischen Mauren die Stadt entrissen haben, versuchten diesmal im Jahre 1384 die Truppen König Juan I von Kastilien, den Portugiesen die Herrschaft über die Stadt und das Land zu nehmen, in dem sie sie knapp fünf Monate lang belagerten.
Die Kastilier wollten damals die portugiesische Hauptstadt einnehmen, weil durch den Tod König Fernandos I im Jahre 1383, Portugal in eine schwere dynastische Krise gestürzt war.
König Fernando I war am 22. Oktober 1383 ohne direkten Thronfolger gestorben.
Seine einzige legitime Tochter Beatriz war, durch ihre Hochzeit mit Juan I, Königin von Kastilien geworden und lebte, als ihr Vater starb, schon außerhalb Portugals.
Ihr Ehemann Juan I erklärte seine Frau als legitime Herrscherin von Portugal um wohl selber später den portugiesischen Thron zu besteigen.
Zwar garantierte er dem portugiesischem Adel gegenüber, dies sei niemals seine Absicht, dennoch fügte er noch während der Krise, seinem kastilischen Wappen die Wappen von Portugal und der Algarve hinzu und ließ sogar Münzen mit dem Wappen beider Länder herausbringen.
Portugal wollte aber keinesfalls unter der Herrschaft Kastiliens stehen, und rebellierte daraufhin offen mit einem Volksaufstand gegen Juan I und seine Truppen.
Diese dynastische Krise sollte sich noch bis in den Dezember 1385 hinziehen, bis sich nämlich João de Avis, ein illegitimer Sohn von König Pedro I, dem Vater von König Fernando I, mit dem Namen João I feierlich krönen ließ.
Am 08. April 1384 fingen die Kastilier an, Lissabon einzukreisen und zu belagern.
Die 38 Tore der Lissabonner Stadtmauer wurden ab diesem Tag von den Portugiesen hermetisch abgeriegelt und die 77 Wachtürme wurden alle mit kriegbereiten Truppen besetzt.
Die Kastilier versuchten vom 08. April bis Anfang August fast täglich die Stadtmauer zu überwinden, doch diese erwies sich als ziemlich wehrhaft.
Der größte Feind der Lissabonner wurde mit der Zeit der Belagerung nicht Kastilien, sondern der Hunger, der sich langsam innerhalb der Stadtmauern breit machte
Eine aus Porto kommende portugiesische Armada, bestehend aus sieben Kriegsschiffen, konnte am 18. August für kurze Zeit die Umzingelung Lissabons durchbrechen und so die Stadt mit ein paar wenigen Lebensmitteln versorgen.
Doch die Kastilier konnten die Belagerung Lissabons wieder aufnehmen und sogar drei portugiesische Kriegsschiffe kapern.
Ab dem 22. August wurden die Eroberungsangriffe der Kastilier schlagartig weniger.
Der Grund war der Schwarze Tod (port.: peste negra), der sich unter den kastilischen Soldaten heftig ausgebreitete.
Durch die Epidemie und durch eine heldenhafte Intervention des Feldherren Nuno Álvares Pereira, der mit frischen Truppen aus dem Alentejo kam, konnte eine weitere Belagerung der Hauptstadt Anfang September verhindert werden.
Am 03. September 1384 konnte die zweite Belagerung Lissabons aufgehoben werden.
Die kastilischen Belagerungstruppen, oder das was von ihnen übrig geblieben war, flohen gen Norden.
Auf ihrem Weg in Richtung Kastilien plünderten und brandschatzten die feindlichen Soldaten, wohl aus Frust die Eroberung Lissabons nicht gemeistert zu haben, noch etliche Dörfer und Kleinstädte die auf ihrem Weg lagen.
Knapp ein Jahr nach der fehlgeschlagenen Belagerung und Eroberung Lissabons standen sich die Trupppen João I von Portugal und Juan I von Kastilien am 14. August 1385, auf einem Feld in der Nähe des kleinen Ortes Aljubarrota, gegenüber.
Die Portugiesen konnten damals, mit der Hilfe Englands, die Schlacht von Aljubarrota (port.: Batalha de Aljubarrota) für sich gewinnen.
Die Verluste auf kastilischer Seite waren so groß, das Kastilien es sich die nächsten Jahre nicht leisten konnte erneut Portugal zu überfallen.
Somit hatten die Portugiesen an diesem 15. August 1385 nicht nur eine Schlacht gewonnen, sondern einen ganzen Krieg.
Juan I zog sich für lange Zeit nach Kastilien zurück und João I konnte als „Regent und Verteidiger des Königreiches“ ( port.: „Regedor e Defensor do Reino“) fortan über Portugal regieren.
Dienstag, 29. November 2011
Das brasilianische Exil der portugiesischen Königsfamilie
Heute vor 204 Jahren, am 29. November 1807, ging die portugiesische Königsfamilie, mit einem Teil ihres Hofstaates, ins brasilianische Exil. Königin Maria I, ihr Sohn der Thronfolger Infant João, die königlichen Infanten und Infantinnen, ein Teil des Hochadels, mehrere Minister und Staatsbeamte, sowie Militärs, Hofdamen, Ärzte, Handwerker, Kirchenmänner, Köche und Diener, alle machten sie sich an diesem Tag, über den Atlantik, nach Rio de Janeiro.
Zu diesem Exil war es gekommen, weil sich Frankreich unter Napoleon Bonaparte einen Monat zuvor, am 27. Oktober 1807, im Vertrag von Fontainebleau mit Spanien, das militärische Durchmarschrecht nach Portugal zugesichert hatte.
Der französische General Junot überschritt daraufhin die spanisch-portugiesische Grenze und begann das Land zu besetzen.
Schnell kamen die napoleonischen Truppen voran und die Portugiesen konnten der französischen Invasion kaum einen nennenswerten Widerstand entgegenbringen. Die Truppen Generals Junot kamen so der portugiesischen Hauptstadt von Tag zu Tag näher. Da der Regent und Sohn der Königin, Infante João, sich weigerte zu kapitulieren, und da er nicht ein Gefangener und somit eine Marionette Napoleons sein wollte, beschloss er, nach einer Abmachung mit England, mit seinem gesamten Hofstaat in die damalige Kolonie Brasilien zu ziehen und von dort aus die Regierungsgeschäfte über Portugal, so weit wie möglich, zu übernehmen.
Die Behörden in Lissabon stellen daraufhin in den ersten Novembertagen über 11.000 Pässe für jeweilige Überfahrten nach Brasilien aus.
Es muss damals genauso ein trister und nebeliger Tag gewesen sein, wie es heute einer war. Die Flotte, die die damals schon geistig umnachtete Königin Maria I und ihr Gefolge an diesem Tag nach Brasilien brachte, bestand aus den folgenden 16 königlichen Segelschiffen:
• Nau (dt.: Karacke) „Principe Real“ – unter dem Kommando von Kapitän Francisco José do Canto Castro e Mascarenhas
• Nau „Afonso de Albuquerque“ – unter dem Kommando von Kapitän Inácio da Costa Quintela
• Nau „Rainha de Portugal“ – unter dem Kommando von Kapitän Francisco Manuel Souto-Maior
• Nau „João de Castro“ – unter dem Kommando von Kapitän Manuel João Loccio
• Nau „Medusa“ – unter dem Kommando von Kapitän Henrique da Fonseca de Sousa Prego
• Nau „Principe do Brasil“ – unter dem Kommando von Kapitän Francisco de Borja Salema Garção
• Nau „Conde Dom Henrique“ – unter dem Kommando von Kapitän José Maria de Almeida
• Nau „Martins de Freitas“ unter dem Kommando von Kapitän Manuel de Menezes
• Fregatte (port.: Fragata) „Minerva“ – unter dem Kommando von Kapitän Rodrigo José Ferreira Lobo
• Fregatte „Golfinho“ – unter dem Kommando von Kapitän Luis da Cunha Moreira
• Fregatte „Urânia“ – unter dem Kommando von Kapitän João Manuel
• Brigg (port.: Brigue) „Lebre“ – unter dem Kommando von Kapitän Daniel Tompsom
• Brigg „Voador“ – unter dem Kommando von Kapitän Maximiliano de Sousa
• Brigg „Vingança“ – unter dem Kommando von Kapitän Diogo Nicolau Keating
• Schoner (port.: Escuna) „Furão“ – unter dem Kommando von Kapitän Joaquim Martins
• Schoner „Curiosa“ – unter dem Kommando von Kapitän Isidoro Francisco Guimarães
An die 10.000 Personen wurden an diesem nebeligen Novembertag auf diesen 16 königlichen Segelschiffen evakuiert. Die königliche Familie war, im Vergleich zu anderen königlichen Familien der damaligen Zeit, recht klein. Sie bestand nur aus 14 Personen, wovon die Hälfte Kinder waren. Laut Zeugenberichten von damals, brach an diesem Tag der Abreise der komplette Chos aus. Tausende Menschen versuchten am Hafen von Lissabon einen Platz auf einem der Schiffe zu ergattern, die sie nach Brasilien bringen sollten. Ein wunderschönes Gemälde im Lissabonner Kutschenmuseum (port.: Museu dos coches), das den Titel „A partida da Familia Real para o Brasil“ (dt.: „Abreise der königlichen Familie nach Brasilien“) trägt, zeigt auf eindrucksvolle Weise diesen Moment der Abreise.
Die 14 Mitglieder der königlichen Familie, die an jenem 29. November 1807 die Überfahrt nach Brasilien antraten, waren:
• Königin Maria I – geboren in Lissabon am 17.12.1734. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Principe Real“. Sie stirbt am 20.03.1816 in Rio de Janeiro, ohne jemals wieder portugiesischen Boden zu betreten
• Infante João – geboren am 13.05.1767 in Lissabon. Kronprinz und Regent seiner Mutter Maria I, späterer König João VI. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Príncipe Real“
• Infantin Carlota Joaquina – geboren am 25.04.1775 in Aranjuez / Spanien. Kronprinzessin und Ehefrau von Infante João. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“
• Infante Pedro – ältester Sohn von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 12.10.1798 in Queluz bei Sintra. Zukünftiger König Pedro IV von Portugal und Kaiser Pedro I von Brasilien. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Principe Real“
• Infante Miguel – zweitältester Sohn von Infahte João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 26.10.1802 in Queluz bei Sintra. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Príncipe Real“
• Infantin Maria Teresa – älteste Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 29.04.1793 in Lissabon. Verheiratet mit Infante Pedro Carlos. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“
• Infantin Maria Isabel Francisca – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 19.05.1797 in Queluz bei Sintra. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“
• Infantin Maria Francisca de Assis – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren in Queluz bei Sintra, am 22.04.1800. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“
• Infantin Isabel Maria – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren am 04.07.1801 in Queluz bei Sintra. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“
• Infantin Maria da Assunção – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren in Queluz bei Sintra am 25.07.1805. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“
• Infantin Ana Jesus Maria Assunção – Tochter von Infante João und Infantin Carlota Joaquina. Geboren in Mafra am 23.10.1806. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Afonso de Albuquerque“
• Infantin Maria Francisca Benedita – Schwester von Königin Maria I. Geboren in Lissabon am 25.07.1746. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“
• Infantin Maria Anna de Jesus – Schwester von Königin Maria . Geboren am 07.10.1736 in Lissabon. Sie macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Rainha de Portugal“. Sie stirbt am 16.05.1813 in Rio de Janeiro
• Infante Pedro Carlos de Borbon e Bragança – Geboren am 18.06.1786. Schwager von Infante João, verheiratet mit dessen Schwester Infantin Maria Teresa. Er macht die Überfahrt auf dem königlichen Segelschiff „Nau Principe Real“. Er stirbt am 26.05.1812 in Rio de Janeiro
Als General Junot an diesem Tag um kurz nach 9:00 Uhr früh in Lissabon einmarschierte, konnte er von dem Stadthügel „Alto de Santa Catarina“ nur noch in der Ferne die Flotte auf ihrem Weg nach Rio de Janeiro sehen. Er hatte zwar Lissabon, und somit ganz Portugal, vorerst für Napoleon Bonaparte eingenommen, aber die Königin und ihr Gefolge waren ihm praktisch in letzter Minute entkommen. Portugal sollte, in den kommenden Jahren, von Brasilien aus regiert werden und die Hauptstadt des Königreiches und alle politischen und kulturellen Institutionen wurden ab diesem Tag der Abreise nach Rio de Janeiro verlegt. Erst im Jahre 1821 sollte João VI, der nach dem Tode seiner Mutter Maria I, in Rio de Janeiro zum König gekrönt worden war, nach Lissabon und Portugal zurückkehren.
Montag, 28. November 2011
Eselsohren: „Filipa de Lencastre – A Rainha que mudou Portugal“
In der Zeit, in der ich jetzt gezwungen war im Krankenhaus zu liegen, habe ich zwei Bücher gelesen.
Zum einen das Buch „A vida privada dos Braganças“, von den zwei Schriftstellerinnen Ana Cristina Pereira und Joana Troni, das ich immer noch lese, und zuvor den Historienroman „Filipa de Lencastre – A Rainha que mudou Portugal“, geschrieben von der großen englischen Autorin Isabel Stilwell.
Das Buch von Isabel Stilwill über die ehemalige Königin Filipa von Portugal, hatte ich schon im Jahre 2007, kurz nach seiner Erscheinung, gelesen.
Aber irgendwie konnte ich erst jetzt so richtig in die Geschichte dieses Romans „eintauchen“.
Als ich „Filipa de Lencastre – A Rainha que mudou Portugal“ zum ersten Mal las, konnte ich mir damals zuerst nicht vorstellen das die vierjährige Philippa in ihrer Zeit so „erwachsen“ denken und handeln konnte, wie am Anfang des Buches beschrieben.
Ich hielt das ganze Werk von Isabel Stilwell einfach zu romantisch und kitschig.
Aber seitdem ich es mit meiner kleinen Nichte Lorena zu tun habe, weiß ich sehr wohl das Kleinkinder „erwachsen“ denken und handeln können – meistens wenn wir es Erwachsene am wenigsten von ihnen erwarten.
Als ich jetzt das Buch zum zweiten Mal las, habe ich es nicht mehr so übertrieben und unrealistisch dargestellt empfunden.
Im Gegenteil, ich glaube jetzt viel mehr über Königin Filipa und ihre Zeit, den damaligen Beziehungen zwischen Portugal und England, die Schlacht von Aljubarrota und die Inclita Geração erfahren zu haben!
Das Buch, das mit deutschem Titel „Philippa von Lancaster – Die Königin die Portugal veränderte“ heißen würde, handelt über die erste und einzige Königin Portugals die im Jahre 1387 aus England kam um hier, an der Seite ihres Mannes, König João I, zu regieren.
Philippa of Lancaster, wie ihr Geburtsname war, wurde im Jahre 1359 auf Lancaster Castle geboren.
Im Alter von 28 Jahren verließ die englische Prinzessin ihr geliebtes England um in der Stadt Porto König João I zu ehelichen.
Sie schenkte dem König und der Nation insgesamt acht Kinder, die so genannte Inclita Geração (bitte lesen sie hierzu auch meinen Eintrag „Inclita Geração“ vom 13. Oktober 2011) und sie soll eine gute, liebevolle Mutter und Königin gewesen sein.
Eines dieser Kinder war der weltberühmte Heinrich, der Seefahrer (port.: Henrique, o Navegador).
Sie stirbt am 19. Juli 1415, mit nur 55 Jahren, an der Pest, auch Schwarzer Tod (port.. peste negra) genannt, im Kloster von Odivelas (port.: Mosteiro de Odivelas), bei Lissabon
In ihrem historischen Roman bringt uns die Schriftstellerin und Journalistin Isabel Stilwell diese, für die damalige Zeit sehr kultivierte und couragierte Frau, eindrucksvoll näher.
Erschienen ist das Buch „Filipa de Lencastre – A Rainha que mudou Portugal“ bereits im Jahre 2007, im portugiesischen Verlag „Esfera dos Livros“.
Sonntag, 27. November 2011
Weltkulturerbe Fado
Nach einer sechsjährigen Bewerbungszeit ist heute im indonesischen Bali der Fado in die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes (port.: Lista do Património Imaterial da Humanidade da UNESCO) aufgenommen worden.
Über 80 Kulturpraktiken, Traditionen und Volksbräuche aus aller Welt bewarben sich bei der UNESCO um eine Aufnahme in die berühmte Liste, und immerhin 49 von ihnen wurden dann letztendlich auch nominiert.
Als Portugiese, und vor allem als Lissabonner, habe ich mich über diese Wahl der UNESCO sehr gefreut!
Als im Jahre 2005 der damalige Bürgermeister Lissabons, Pedro Santana Lopes, die Idee hatte, wahrscheinlich die einzig Gute die er in seiner gesamten Amtszeit hatte, den Fado bei der UNESCO als Kulturgut auf die immaterielle Liste zu setzen, ahnte noch keiner wie beschwerlich diese Kandidatur sein würde.
Denn der Fado hat sich erst in den letzten Jahrzehnten in ganz Portugal so richtig etabliert. Sicherlich den Fado, so wie wir ihn heute kennen, gibt es seit über 150 Jahren, aber er war in erster Linie die Musik Lissabons. Und als solche wurde er auch ursprünglich hier in Portugal angesehen.
Sprach man z.B., vor 30 oder 40 Jahren jemanden außerhalb Lissabons mit „Fadista“ an, dann kam das einer Beleidigung gleich, denn der Fado wurde historisch gesehen, früher immer mit den zwielichtigen Gestalten der Lissabonner Unterwelt in Verbindung gebracht.
Doch der Fado wird heute in ganz Portugal akzeptiert und geliebt – auch von der Jugend.
Das Wort „Fado“ kommt aus dem lateinischen, wo „fatum“ so viel wie „Schicksal“ oder „göttlicher Wille“ bedeutet.
Wir Portugiesen verbinden damit zugleich die Vorstellung von Leid, Unglück und Saudade, dem wohl urportugiesischstem Gefühl überhaupt.
Und als „Schicksal“ und „göttlicher Wille“ ist die positive Bewerbung des Fado heute in die Liste der UNESCO schließlich auch aufgenommen worden.
Somit ist es ist amtlich:
Der Fado gehört ab sofort offiziell nicht nur uns Portugiesen, sondern der ganzen Menschheit!
Samstag, 26. November 2011
Von fehlender Sensibilität und nicht vorhandenem Weitblick
Portugals Außenminister (port.. Ministro dos Negócios Estrangeiros) Paulo Portas hat diese Woche im Parlament bekannt gegeben, das sein Ministerium im nächsten Jahr, aus sparmaßnahmlichen Gründen, mehrere Botschaften und Vize-Konsulate „zeitweise deaktivieren“ (port.: „desactivar temporariamente“) wird.
„Zeitweise deaktivieren“ – das ist eine sympathische Umschreibung für die Schließung mehrerer Auslandsvertretungen Portugals.
Sieben Botschaften (port.: Embaixadas) und fünf Vize-Konsulate (port.: Vice-Consulados), bis auf eine Ausnahme alle in Europa gelegen, sind von der schon bald erwarteten Schließung betroffen.
Die Botschaften von Andorra, Bosnien-Herzegowina, Estland, Lettland, Litauen, Malta und Kenia sollen schon im kommenden Januar geschlossen werden.
Auch die Vize-Konsulate von Frankfurt am Main und Osnabrück in Deutschland und von Nantes, Lille und Clairmont-Ferrand in Frankreich sollen in ein paar Wochen ihre Türen schließen, und dann eine normale konsularische Betreuung portugiesischer Staatsbürger in den betreffenden ausländischen Regionen praktisch unmöglich machen.
Insgesamt sollen durch die Schließung der diplomatischen Vertretungen 12,7 Millionen Euro eingespart werden.
Eine lächerlich kleine Summe, wenn man bedenkt was für einen hohen Preis Portugal für den so entstandenen Prestigeverlust, in den jeweiligen betroffenen Ländern und darüber hinaus, bezahlen muss.
Mehrere Vertreter der im Ausland lebenden Portugiesen haben jetzt schon mit Protestbewegungen in nächster Zeit gedroht.
Die portugiesische Gemeinde z.B., die im Großraum Frankfurt am Main lebt, plant eine Demonstration am kommenden 05. Dezember, gegen die Schließung und für die Notwendigkeit des Vize-Konsulates in der Stadt Frankfurt.
Von den knapp 120.000 Portugiesen die in Deutschland leben, leben derzeit an die 30.000 in Hessen, der Pfalz und im Saarland.
Dies sind die Regionen die das Vize-Konsulat bis jetzt betreute.
Meine Familie, die in Darmstadt lebt und bis jetzt immer ihre konsularischen Angelegenheiten im Vize-Konsulat von Frankfurt am Main erledigen konnte, wird sich in naher Zukunft wohl nach Düsseldorf begeben müssen, wenn sie z.B. ihre Pässe verlängern, ihre notariellen Angelegenheiten erledigen oder von ihrem, in der portugiesischen Verfassung verankertem, Wahlrecht gebrauch machen will – wobei ich glaube das sie letzteres in Zukunft wohl eher sein lassen werden!
Sicherlich, es ist richtig, dass wir hier in Portugal im Augenblick sparen müssen.
Aber Vize-Konsulate, die zehntausende Portugiesen im Ausland dienen sollen und Botschaften, die Millionen von Portugiesen im Ausland vertreten, einfach so zu schließen, zeugen von fehlender Sensibilität und nicht vorhandenem Weitblick des hiesigen Außenministeriums!
Freitag, 25. November 2011
Die Überschwemmungen vom November 1967
Heute vor genau 44 Jahren, in der Nacht vom 25. auf den 26. November 1967, fielen hier in Lissabon die heftigsten Regenfälle seit Menschengedenken.
Als „Cheias de Novembro de 1967“ (dt.: „Überschwemmungen vom November 1967“) ging diese schlimmste Wetterkatastrophe in die Chroniken der Stadt und in die Geschichte des Landes ein.
Fünf Stunden Dauerregen reichten damals aus, um Lissabon und seine Region in ein völliges Chaos zu stürzen.
Mehr als 700 Menschen fanden damals den Tod und über 3.500 wurden in dieser Nacht Obdachlos.
Außer Lissabon waren vor allem die Städte Loures, Odivelas, Vila Franca de Xira und Alenquer betroffen.
Die Überflutungen und Erdrutsche dieser Nacht töteten ganze Familien und rissen Autos, Bäume, Brücken und Häuser, die zumeist nur einfache Bretterbuden (port.: baracas) waren, mit sich und hinterließen nur Morast, Zerstörung und Tod zurück.
Zwischen 19:00 Uhr und Mitternacht an diesem 25. November regnete es unaufhörlich.
Laut der Wetterstation in Monte de Estoril fielen in diesen fünf Stunden sage und schreibe, 159 Liter Regen pro m², das entspricht in etwa 1/5 der Regenmenge die sonst in einem ganzen Jahr über Lissabon herunterkommt.
Der gesamte Großraum Lissabon stand damals unter Wasser.
Aber es waren vor allem die Gegenden um Pontinha, Urmeira, Póvoa de Santo Adrião, Frielas, Quinta dos Silvados, Pombais, Olival de Basto, Senhor Roubado, Serra da Luz, Famões, Bairro da Barrosa und Odivelas die von den starken Wassermassen am schwersten Heimgesucht wurden.
Meine Eltern, die damals mit mir in Pontinha lebten, erzählen heute noch, dass sie sich damals nur mit größter Mühe und viel Glück in dieser Nacht haben retten können. Ich selber war damals erst 18 Monate alt, kann mich also an diese Katastrophe nicht erinnern.
Der erste Hilferuf, der in dieser Nacht bei der Feuerwehr in Pontinha einging wurde um 21:10 Uhr registriert.
Ab da nahmen die Feuerwehren im Großraum Lissabons praktisch im Minutentakt Anrufe mit der bitte um Hilfe entgegen.
Da aber, durch die starken Regenfälle und durch all den Schutt und Dreck den das Wasser mit sich führte, die Straßen in der Zwischenzeit unpassierbar waren, konnten die Feuerwehren nichts tun, außer an die immer häufiger werdenden Anrufer zu appellieren, die Ruhe zu bewahren.
Die Hilfe der Feuerwehren in den ersten Stunden der Katastrophe war unkoordiniert und sehr gering. Und mit dem Morgengrauen des 26. November wurde sie leider auch nicht besser.
Das lag aber nicht in erster Linie an ihnen, sondern an der Tatsache, das die damalige Regierung von Diktator António de Oliveira Salazar die Rettungsarbeiten massiv behinderte und Salazar mit aller Macht die genaue Lage der Situation und die präzise Angaben zu den immer größer werdenden Opferzahlen verheimlichen wollte.
Man kann sagen, dass das damalige Regime diese Katastrophe einfach totschweigen wollte!
Nur die damaligen Studentenvereinigungen der Universität Lissabon (port.: Associações de Estudantes da Universidade de Lisboa) und die Katholische Universitätsjugend (port.: Juventude Universitária Católica) begaben sich damals, gegen den Willen ihrer Universitäten, auf die Straßen und versuchten zu Helfen wo sie konnten.
Sie befreiten mehrere Menschen aus dem Schlamm, retteten teilweise deren weniges Hab und Gut, richteten selbstständig Notunterkünfte her und die Medizinstudenten versorgten die Verletzten so gut sie konnten.
Auch wenn er es gerne anders gehabt hätte, so konnte Salazar es doch nicht verhindern, das die Bilder dieser Überschwemmungskatastrophe damals dann doch um die Welt gingen.
Zwar gab es damals noch kein Internet und die portugiesische Presse stand unter einer strengen Zensur, aber die Korrespondenten der einzelnen ausländischen Fernsehanstalten und Zeitungen die hier in Portugal tätig waren, schickten in den Tagen die nach der Überschwemmung folgten, genügend Film- und Bildmaterial in ihre Heimatländer.
Sie lösten mit ihren Berichterstattungen und den eindrucksvollen Bildern eine internationale Solidaritätswelle aus, wie es sie bis dahin in Portugal, seit dem großen Erdbeben vom Allerheiligentag 1755, nicht mehr gegeben hatte.
Unter anderem kamen damals aus Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Spanien, Italien und sogar aus dem Fürstentum Monaco, Hilfsgüter für die Opfer der Hochwasserkatastrophe an.
Auch Deutschland beteiligte sich damals an dieser Solidaritätswelle. Die damalige Deutsche Bundesregierung ließ den Opfern insgesamt 1.000 Impfungen gegen Typhus (port.: febre tifóide) zukommen.
Statistisch gesehen kommen solche Regenfälle, wie sie 1967 geschehen sind, nur alle 250 Jahre vor.
Aber starke Niederschläge zählen auch heute zu den gefährlichsten Naturkatastrophen in Portugal.
Laut der portugiesische Umweltorganisation „Quercus“, starben im vergangenen 20. Jahrhundert hier in Portugal sieben Mal mehr Menschen an den Folgen von Regenfällen und Überschwemmungen als an den Folgen von Erdbeben!
Donnerstag, 24. November 2011
Chaos im Ramschland
„Chaos im Ramschland“ – so titelte eine bekannte deutsche Boulevardzeitung in ihrer heutigen Internetausgabe über Portugal.
Der Anlass zu dieser Schlagzeile ist der heutige Generalstreik und die Abwertung Portugals durch die Ratingagentur Fitch gewesen.
Fitch stufte heute die Kreditwürdigkeit des Landes von BBB- auf BB+ herunter, also auf Ramsch-Niveau.
Geisterflughäfen, verlassene Bahnhöfe, schimpfende Touristen, Müll auf den Straßen, geschlossene U-Bahnstationen, Schulen, Universitäten, Postämter und Justizgebäude – heute legte ein landesweiter Generalstreik ganz Portugal lahm.
Die 24-stündige Arbeitsniederlegung gegen den massiven Sparkurs der Regierung von Prämierminister Pedro Passos Coelho wurde von zahlreichen Kundgebungen begleitet.
Die meisten dieser Kundgebungen verliefen friedlich.
Erst heute Abend sorgten ein paar Demonstranten auf den Treppen des Parlament (port.: Assembleia da República) zu tumultartigen Auseinandersetzungen mit Sondereinheiten der Polizei.
Nichtsdestotrotz haben wir Portugiesen diesen Generalstreik einigermaßen gut überstanden.
Ob der heutige Generalstreik Portugal und uns Portugiesen etwas gebracht hat oder uns in Zukunft noch etwas bringen wird, das wage ich zu bezweifeln.
Aber das scheint ja auch nebensächlich zu sein, wo uns doch Schreibtischattentäter im Anzug bestätigen:
„Egal was ihr macht und wie ihr es macht – ihr seid ja eh nur Ramsch!“
Dank an alle im Krankenhaus Hospital Garcia de Orta
Ich habe mich die letzten Tage hier im Blog etwas rar gemacht.
Das liegt daran, dass ich gestern vor einer Woche hier in Almada, in das örtliche Krankenhaus Garcia de Orta, wegen einiger Untersuchungen die dringend durchgeführt werden mussten, eingewiesen worden bin.
Eigentlich war diese Einweisung erst für den Anfang des nächsten Jahres geplant, aber durch eine Absage eines anderen Patienten wurde jetzt im Krankenhaus ein Bett frei und ich habe, auf Anraten meiner Ärztin, jetzt schon die Untersuchungen über mich ergehen lassen.
Obwohl keiner von uns gerne ins Krankenhaus geht und obwohl die Tage die ich jetzt dort verbringen musste alles andere als leicht waren, habe ich, mit viel Eigendisziplin, Glauben, Hoffnung, Geduld und Hilfe meiner Eltern und des gesamten Krankenhauspersonals, die Zeit, den Umständen entsprechend, überstanden.
Anbei die Übersetzung eines Dankbriefes, den ich heute an das Krankenhaus Garcia de Orta geschrieben habe:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte mich in aller Form bei ihnen für meinen, weniger freiwilligen Aufenthalt, in ihrem Krankenhaus bedanken.
Ich möchte mich vor allen Dingen bei der Chefärztin der Neurologie, Frau Dr. Ana Mateus, für ihr medizinisches Fachwissen und die unglaubliche Geduld die sie bei Patienten wie mir aufbringen muss, bedanken.
Ich muss gestehen, dass ich eher der Typ von Patient bin, der alles bis ins kleine Detail wissen will und dementsprechend zuweilen eine Fachrau wie Dr. Ana Mateus ganz schön ermüden kann.
Ich danke den beiden Assistenzärztinnen Dr. Cristina Santos und Dr. Rita Vicente Gouveia für die professionelle Betreuung und die Tatsache, dass sie mir jegliche Angst vor den insgesamt 14 unterschiedlichen, und zum Teil langwierigen und schmerzhaften Untersuchungen, genommen haben.
Außerdem danke ich den Schwestern, dem Pflegepersonal und dem ganzen Krankenhauspersonal des Garcia de Orta für die hervorragende Pflege, die eindrucksvolle Kompetenz und die unerschöpfliche Geduld, die sie stets an den Tag legten.
Mir ist die hohe Belastung, unter der Krankenhausärzte und Krankenhauspersonal im Allgemeinen stehen, sehr wohl bewusst.
Umso mehr freue ich mich über die Aufmerksamkeit und die Höflichkeit die mir in den letzten Tagen im Hospital Garcia de Orta entgegengebracht wurden.
Haben sie recht vielen Dank für alles!
Ihr
Ângelo Paulo Alves
Freitag, 11. November 2011
Évora
Évora, die auf einer flachen Anhöhe gelegene alte Hauptstadt des Alentejos, ist heute der Hauptort des gleichnamigen Distrikts, Sitz eines Erzbischofs und seit 1979 wieder einer Universitätsstadt.
Wirtschaftliche Bedeutung hat die Stadt als größter Umschlagplatz für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Alentejo, wie Kork, Oliven und Wolle und durch die in Évora ansässige bedeutende Elektroindustrie.
An die 50.000 Menschen leben und arbeiten in dieser Stadt.
Évora gilt als einer der ältesten Handelsplätze der Iberischen Halbinsel. In römischer Zeit war Évora zunächst unter dem Namen Ebora und später, unter der Herrschaft Julius Caesars, als Liberalitas Iulia eine sehr bedeutende Stadt.
Im Jahre 715 eroberten die Mauren die Stadt, und nannten sie Yebora.
Genau 450 Jahre später, im September des Jahres 1165, eroberte der portugiesische Ritter Giraldo Sem Pavor (dt.: Giraldo, der Furchtlose) die Stadt und überließ sie König Afonso Henriques als Geschenk.
Vom 14. Jahrhundert bis zum 16. Jahrhundert war Évora zeitweise Residenz der portugiesischen Könige und damit Mittelpunkt des politischen und kulturellen Lebens im Land.
Mit der ständigen Verlegung der Regierungsgeschäfte nach Lissabon sowie mit der Schließung der 1558 gegründeten Universität, verlor die Stadt schnell ihren Glanz und Einfluss.
Erst in den letzten Jahrzehnten eroberte sich Évora, bedingt durch seine touristische Bedeutung, einen Teil davon zurück.
Mit ihren zum großen Teil noch erhaltenen Mauern aus römischer, maurischer und späterer Zeit sowie mit ihren engen, mitunter von Bogengängen gesäumten Gassen, bittet Évora ein Stadtbild von maurisch-mittelalterlichem Gepräge.
So ist sie heute hier in Portugal, zu Recht, als „Cidade Museu“ (dt.: Museumsstadt) bekannt.
Évora hat eine Fülle von Sehenswürdigkeiten.
Es ist mir praktisch unmöglich sie alle aufzuzählen. Dennoch will ich versuchen die schönsten und bedeutendsten hier aufzuführen:
• Sé de Évora (dt.: Kathedrale von Évora) – Die Kathedrale der Stadt ist ein im Jahre 1186 begonnener und im 14. Jahrhundert vollendeter frühgotischer Granitbau von wehrhafter Strenge. Das Innere des Gotteshauses ist von beeindruckender Schlichtheit und Harmonie. Unbedingt zu beachten ist in dieser Kirche der Hochchor, der die sanft bewegten Linien des Barocks zeigt. Er wurde im 18. Jahrhundert von dem Deutschen Johann Friedrich Ludwig (port.: João Frederico Ludovice), dem Erbauer des Klosterpalastes von Mafra, im Stil der Zeit umgestaltet. Er verkleidete die ursprünglichen Granitquader mit reichlich Marmor. Zu den kostbarsten Exponaten der Kathedrale gehört ein Triptychon in Gestalt einer elfenbeinernen Madonna mit Kind und zahlreiche hervorragende Goldschmiede- und Emailarbeiten aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Der ehemals in der Sakristei aufbewahrte Kirchenschatz befindet sich heute im Museu de Arte Sacra (dt.: Museum für Sakrale Kunst), das sich in einigen Räumen des Kathedralensüdturms befindet. Das einzige negative, das man über die Sé von Évora sagen kann, ist die Tatsache, dass man Eintrittsgeld bezahlen muss, wenn man das Gotteshaus besichtigen will
• Templo Romano (dt.: Römischer Tempel) – Gegenüber der Sé erhebt sich der als Wahrzeichen von Évora geltende Römische Tempel. Das aus dem 2. oder 3. Jahrhundert stammende Bauwerk ist eines der besterhaltenen aus römischer Zeit in Portugal. Volkstümlich wird er auch als Dianatempel (port.: Templo de Diana) bezeichnet. Es ist aber bis heute nicht geklärt, welcher Gottheit der Tempel früher geweiht war
• Universidade de Évora (dt.: Universität von Évora) – Das Gebäude der Universität wurde im Jahre 1551 als Jesuitenkolleg im Stil der italienischen Renaissance erbaut. 1558 wurde das Jesuitenkolleg zur Universität erhoben. Als der Jesuitenorden 201 Jahre später, im Jahre 1759, in Portugal verboten wurde musste die Universität ihre Türen schließen. Nachdem Évora 1979 wieder eine Universität bekam, sind in dem alten Gebäude wieder Hörsäle eingerichtet worden. Viele von ihnen weisen einen reichen Marmor- und Azulejoschmuck vor. Die Universitätskirche Nossa Senhora da Conceição wurde 1574 geweiht und ist ebenfalls üppig mit Marmor ausgestattet
• Igreja de São Francisco (dt.: Kirche des Heiligen Franziskus) – Bei der Kirche Igreja de São Francisco handelt es sich um eine ehemalige Klosterkirche aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Berühmt ist São Francisco für sein Beinhaus (port.: casa dos ossos) aus dem 17. Jahrhundert. Berühmt deshalb, weil die Wände des Beinhauses voll und ganz aus übereinander zusammen geschichteten menschlichen Knochen und Skeletteile bestehen. Ein Besuch dieser Kirche ist, zugegeben, schon etwas makaber, zumal über dem Eingang der Knochenkapelle der Spruch geschrieben steht: „Nós ossos, que aqui estamos, pelos vossos esperamos“ (dt.: „Unsere Gebeine, die hier ruhen, warten auf die Euren“). Aber man sollte sich die Gelegenheit dieses wohl bedeutendsten Baudenkmals manuelistischen Stils in ganz Südportugal keinesfalls entgehen lassen
• Praça do Giraldo (dt.: Giraldoplatz) – Hier, an diesem lang gestreckten Platz schlägt das Herz der Stadt. Einst war hier die Richtstätte der Inquisition und er war lediglich ein Schauplatz vieler leidvoller Szenen. Doch heute ist er ein malerischer Ort, mit vielen Straßencafés und hübschen Häusern und Arkadengängen. An der Nordseite der Praça do Giraldo steht ein marmorner Renaissancebrunnen, der 1581 von dem Künstler Afonso Avares geschaffen wurde. Nur ein paar Meter vom Brunnen entfernt ragt die Kirche Santo Antão auf. Sie wurde 1557, auf Anordnung des damaligen Erzbischofes uns Kardinals Henrique, erbaut. Henrique sollte später Berühmtheit erlangen, als er nämlich von 1578 bis 1580 als Kardinalkönig (port.: cardinal-rei) auf dem portugiesischen Thron saß, als letzter König aus dem Hause Avis.
Weitere erwähnenswerte Sehenswürdigkeiten Évoras sind, unter anderem, der ehemalige königliche Palast Paço dos Condes de Basto, das Kloster Convento dos Lóios, der Platz Largo das Portas de Moura, die Kirche Igreja da Graça, der öffentliche Park Jardim Público, die Kirche Igreja das Mercês, das ehemalige Kloster Santa Clara, der Aquädukt und die wuchtige Stadtmauer.
Jede Sehenswürdigkeit für sich ist ein Juwel Évoras.
Nicht umsonst hat die UNESCO im Jahre 1986 Évora zum Weltkulturerbe erklärt.
Der berühmte portugiesische Poet Fernando Pessoa sagte einmal über die Stadt:
Die Seele Évoras beruht darauf, dass sich ihre Besucher unversehens mitten in ihre Geschichte zurückversetzt fühlen.
Fernando Pessoa hatte zweifelsohne Recht!
Donnerstag, 10. November 2011
Eselsohren: „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“
Ich habe soeben den Roman „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, der amerikanischen Autorin Tracy Chevalier, zu Ende gelesen.
Ich hatte vor Tagen, eher zufällig, mit dem Lesen dieses Buches, welches schon seit Jahren in meinem Bücherregal versauert, begonnen.
Heute bin ich froh, diesen Roman gelesen zu haben, denn obwohl er sehr einfach in der Ich-Form geschrieben ist, fesselt er einen ungemein.
Wenn man anfängt „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ zu lesen, muss man sich erst einmal auf die Geschichte einlassen.
Aber wenn man das getan hat, wird einem ihr Zauber nicht mehr los lassen.
Obwohl die Geschichte im Jahre 1664 spielt, fällt es einem nicht schwer, sich in die Hauptromanfigur Griet hineinzuversetzen und mit ihr zu fühlen. Ich bin ohne Probleme in die Welt dieses Buches eingetaucht, so dass ich alles ganz genau vor meinem geistigen Auge gesehen habe, so als wäre es die Wirklichkeit.
In dem Roman wird die Entstehungsgeschichte des berühmten Bildes „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von dem Maler Jan Vermeer van Delft, der wirklich von 1632 bis 1675 gelebt hat, fiktiv erzählt.
Die Geschichte spielt im niederländischen Delft des 17. Jahrhunderts. Die 17 Jahre alte Griet lebt, seitdem ihr Vater bei einem Arbeitsunfall sein Augenlicht verloren hat, mit ihrer Familie in Armut.
Sie ist gezwungen, durch die Annahme einer Anstellung als Dienstmagd im Hause des Maler Jan Vermeer, ihre Familie finanziell zu unterstützen.
Griet gewinnt schnell das Vertrauen des Künstlers, seine Frau hingegen begegnet ihr mit Bösartigkeiten, Schikanen und Eifersucht. Griet fühlt sich zu dem Maler hingezogen, der aber scheint sie in erster Linie als Objekt zu betrachten und ihre Abhängigkeit zu missbrauchen.
Als Vermeer eines Tages den Wunsch äußert, Griet mit einem Perlenohrring seiner Frau zu porträtieren, hat das für Griet ungeahnte Folgen.
Wer einmal in einer anderen Welt versinken will und Anteil an einer ungewöhnlich zurückhaltenden, und doch voller Leidenschaft steckender Liebesgeschichte nehmen will, der sollte sich dieses Buch auf keinen Fall entgehen lassen.
Erschienen ist das Buch von Tracy Chevalier bereits im Jahre 2001 im List Verlag.
Nach dem lesen dieses wunderbaren Romans, frage ich mich nun, wie viele literarischen Schätze wohl noch in meinen Bücherregalen darauf warten gelesen zu werden…
Mittwoch, 9. November 2011
Verrückte Welt
Laut der hier in Portugal erscheinenden Tageszeitung „i“, hat das Büro des Staatspräsidenten (port.: Presidência da República), diese Woche beim hiesigen Finanzministerium (port.: Ministério das Finanças) die zu erwarteten Kosten des Präsidialamtes für das kommende Jahr eingereicht.
Demnach plant Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva in den nächsten 12 Monaten Ausgaben von sage und schreibe 16 Mio. Euro – das ist, auf die Einwohnerzahl Portugals umgerechnet, 1, 50 Euro pro Kopf.
In einer Zeit, in der Premierminister Pedro Passos Coelho von uns Bürgern erwartet, dass wir sparen, sparen, sparen, geht Cavaco Silva anscheinend mit gutem Beispiel voran.
Er verringert seine Ausgaben um ganze 3 Mio. Euro.
Noch im Vorjahr wurden ihm nämlich 19 Mio. Euro bewilligt.
Von den 16 Mio. Euro, die er nun will, soll er selber, seine 12 Berater, seine 24 Staatssekretäre, seine drei Pressesprecher sowie sein ganzes Personal, welches für den reibungslosen Ablauf des Präsidialamtes und des Palácio de Belém, seinem öffentlichen Amtssitzes, verantwortlich ist, unterhalten werden.
Insgesamt hat Cavaco Silva ein Tross von etwa 500 Personen die ihn umgeben!
Wenn man bedenkt das Queen Elisabeth II im Buckingham Palast nur 300 Angestellte hat und König Juan Carlos von Spanien sogar nur auf 200 Bedienstete zurückgreifen kann, wird einem erst einmal klar, wie immens aufgebauscht und verschwenderisch das hiesige Präsidialamt ist.
Cavaco Silva hat heute im Jahr das 163fache von dem zur Verfügung, was einstmals Antonio Ramalho Eanes, der erste wieder frei gewählte Staatspräsident Portugals, im Jahre 1976 hatte.
Und um wieder Juan Carlos von Spanien als Beispiel zu nehmen:
Während Cavaco Silva in einem Jahr 16 Mio. Euro an Steuergeldern ausgibt um sich und seine Angestellten zu bezahlen, steht König Juan Carlos, auf der anderen Seite der Grenze, nur eine Apanage von gerade einmal 8 Mio. Euro zu.
Das ist gerade einmal die Hälfte von dem was Cavaco Silva bekommt!
Das dem aktuellen portugiesischen Staatspräsidenten doppelt so viel Geld zusteht, wie dem spanischen König, ist schon absurd.
Wir haben 1910 einen König ins Exil geschickt, daraufhin die Anarchie und die Diktatur bekommen und nach etwa 60 Jahren endlich eine „Demokratie“ erhalten, die beinahe in eine kommunistische Katastrophe geendet hätte, und das alles um heute einem Staatspräsidenten doppelt so viel zu bezahlen wie uns ein König kosten würde!
Verrückte Welt!
Dienstag, 8. November 2011
Absurde verkehrspolitische Pläne
Endlich zuhause!
Heute war es nicht einfach nach hause zu kommen.
Seit heute morgen streiken die Öffentlichen Verkehrsmittel (port.: transportes públicos) landesweit.
Die Arbeiter der Transportunternehmen streiken, weil sie Angst um ihre Arbeitsplätze, und somit um ihre Zukunft, haben.
Vergangene Woche hat nämlich Prämierminister Pedro Passos Coelho angekündigt in ganz Portugal die Öffentlichen Verkehrsmittel zu reformieren.
Alleine hier in Lissabon sollen knapp 50 Bus- und Straßenbahnlinien des Verkehrsbetriebs „Carris“ gestrichen oder deren Streckenverlauf radikal gekürzt werden.
Außerdem stellt die Regierung die Fährverbindungen der Fährgesellschaft „Transtejo“ in Frage und die Betriebsdauer der Lissabonner Metro soll ebenfalls drastisch verkürzt werden.
Laut dem Verkehrsministerium sollen hier in Lissabon zukünftig 15 Bus- und Straßenbahnlinien der Verkehrsgesellschaft „Carris“ ihren Betrieb völlig einstellen und 33 andere städtische Buslinien ihren Streckenverlauf und ihre Fahrplanzeiten drastisch verkürzen.
Zwei Linien der „Transtejo“, der Gesellschaft die bisher die Fährverbindungen zwischen der Hauptstadt und den Städten am Südufer des Tejo sicherstellt hat, sollen nur noch zu Stoßzeiten (port.: horas de ponta) funktionieren. Die anderen Fährverbindungen sollen in ihrer Betriebszeit drastisch verkürzt werden.
So sollen demnach die Fährverbindung zwischen Belém und Porto Brandão / Trafaria und zwischen Cais do Sodré und Seixal nur noch lediglich morgens und abends funktionieren.
Die anderen Fährverbindungen, sollen nur noch bis maximal 22 Uhr aufrechterhalten werden.
Die Lissabonner Metro soll nicht, wie bisher, bis um 01 Uhr morgens ihren Dienst tun, sondern soll schon um 23 Uhr die Beförderung der Passagiere beenden.
Außerdem sollen die Linien, die die Lissabonner Vorstädte Amadora und Odivelas bedienen, dann schon zum Teil um 21:30 Uhr den Fahrbetrieb einstellen.
Es ist mir sehr wohl klar, dass in der wirtschaftlichen Lage in der wir uns gerade befinden, der Staat auch bei den Transportunternehmen einsparen muss.
Aber zwischen einer Einsparung und einer völlig blinden Rationalisierungswut wie sie jetzt die Regierung plant, ist ein meilenweiter Unterschied.
Wer Portugal kennt, weiß dass es hier viele Supermärkte, Shopping Centers, Restaurants, Cafés, Krankenhäuser, usw. gibt.
Tausende Menschen arbeiten dort bis spät in die Nacht als Verkäufer, Köchin, Kellner, Krankenschwester oder Wachmann und tragen somit zur Wirtschaft dieses Landes bei.
Doch diese arbeitenden Menschen müssen nach getaner Arbeit auch einmal nach hause.
Wenn sie also z.B. um Mitternacht oder um 1 Uhr morgens von ihrem Arbeitsplatz nach hause gehen wollen, müssen sie die Möglichkeit haben um diese Uhrzeit ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen zu dürfen.
Diese Möglichkeit wird ihnen genommen, wenn sich die Regierung mit ihren Sparmaßnahmen durchsetzt.
Von einem Minister oder Abgeordneter, der einen Chauffeur hat und der jederzeit auf den Fahrdienst des Parlaments zurückgreifen kann, sollte man wahrlich ein bisschen mehr Sensibilität und Realitätssinn erwarten.
Schließlich baden wir heute nur das aus, was die Politik und die gierige Finanzwelt seinerzeit fabrizieret haben.
Die verkehrspolitischen Maßnahmen, die die Regierung plant sind ein soziales Attentat auf all die schwer arbeitenden Bürgerinnen und Bürger, die tagtäglich ihren Beitrag zum Wohle dieses Landes leisten.
Ich würde mir manchmal wünschen Pedro Passos Coelho und seine Minister müssten ab und zu mit den Öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit und nach Hause fahren.
Dann würden sie vielleicht ihre absurden und unverschämten Vorhaben noch einmal überdenken!
Sonntag, 6. November 2011
Die Ruinen von São Cucufate
Vor genau einer Woche war ich mit Freunden im Alentejo.
Unter anderem besuchten wir die Ruinen von São Cucufate in Vila de Frades, im Distrikt Beja.
Ich hatte schon von den Ruinen von São Cucufate gehört und wusste das es sich bei ihnen um römische Überreste einer Wohnanlage handelte, konnte mir aber darunter nicht so recht etwas genaueres vorstellen.
Umso überraschter war ich dann, als ich diese recht großen Ruinen zu sehen bekam. In meinen Vorstellungen waren sie noch nicht einmal halb so groß gewesen.
Bei den Ruinen von São Cucufate handelt es sich ursprünglich um ein römischen Herrenlandhauses (port.. villa romana) und um ein späteres Augustinerkloster, den es an dieser Stelle bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gegeben hat.
Die ältesten Überreste des römischen Landhauses stammen aus dem 1. Jahrhundert nach Christus.
Im 2. Jahrhundert wurde die Villa um ein paar Gebäude vergrößert und im 4. Jahrhundert wurde sie dann palastartig erweitert. Aus dieser Zeit stammen dann auch die Überreste, die man heute besichtigen kann.
Die heutigen Ruinen zeugen von der Größe und Pracht des damaligen Herrenhauses.
Man kann heute die Überreste des großen zweistöckigen Haupthauses mit Arkaden und wunderschönen Wandmalereien bewundern und ebenso mehrere Lager- und Nebengebäude, ein Thermalbad, eine große Gartenanlage und einen Tempel, der religiösen Zwecken diente.
Anhand dieser Überreste kann man die ursprüngliche Konstruktion sehr gut erkennen.
Man weiß heute nicht mehr so genau, wer nach den Römern in das Herrenhaus einzog und ob es dann überhaupt bewohnt war, aber man weiß sehr wohl, dass sich ab dem 13. Jahrhundert Augustinermönche hier niederließen und aus der alten Villa ein Kloster machten.
Sie widmeten das Kloster dem Heiligen São Cucufate, einem katalanischen Heiligen, der im Jahre 304 den Märtyrertod gestorben war.
Ganze 400 Jahre blieben die Mönche dann hier an diesem Platz, bis sie dann im 17. Jahrhundert das Kloster verließen.
Nachdem die Mönche gegangen waren, wurde die Kapelle des Klosters weiterhin von der örtlichen Bevölkerung zu religiösen Handlungen genutzt.
Aber auch sie wurde irgendwann Ende des 18. Jahrhunderts aufgegeben.
Die Mönche gingen, aber Vila dos Frades, der Ort, der in der Nähe der Ruinen von São Cucufate mit den Jahren entstanden ist, zeugt heute noch durch seinen Namen, das sie einstmals hier lebten.
Vila dos Frades heißt nämlich ins Deutsche übersetzt so viel wie „Ort der Mönche“ oder „Dorf der Mönche“
Geblieben sind vom ehemaligen römischen Herrenhaus und dem ehemaligen Gotteshaus die Ruinen die man heute bewundern kann.
Die Ruinen von São Cucufate gehören heute zu den am besten erhaltenen römischen Bauten in ganz Portugal.
Freitag, 4. November 2011
Alvito
Alvito ist eine Kleinstadt (port.: vila) und Landkreis im Norden des Baixo Alentejo, die unweit der Distrikthauptstadt Beja liegt.
Alvito hat ca. 1.400 Einwohner und besticht vor allem durch seinen alten und gut erhaltenen Ortskern und die schöne Landschaft drum herum.
Die älteste menschliche Siedlung muss hier schon in der Bronzezeit gestanden haben.
Im 1. Jahrhundert n. Chr. siedelten sich dann die Römer hier an.
Nach den Römern ließen sich zuerst die Westgoten hier nieder und dann später die Mauren.
Diese wurden im Jahre 1143, im Zuge der Reconquista, von den Portugiesen vertrieben.
Im Jahre 1251 macht König Afonso III seinem Kanzler (port.: chanceler-mor) Estêvão Anes, damals der zweite Mann im Staate, ein Gestüt zum Geschenk, welches sich an dem Platz befand, an dem heute die Burg steht.
Dieses Gestüt sollte einmal die Keimzelle der heutigen Stadt sein.
Unter seinem neuen Herren siedeln sich neue Menschen an und aus dem ursprünglichen Gestüt wird ein Dorf das regelrecht aufblüht.
Als Kanzler Estêvão Anes im Jahre 1279 stirbt, vermacht er den Ort dem kirchlichen Orden der Heiligen Dreifaltigkeit (port.: Ordem da Santíssima Trindade).
Knapp ein Jahr nach dem Tode Estêvão Anes, am 01. August 1280, bekommt das Dorf Alvito von König Dinis I die Stadtrechte (port.: carta foral) verliehen.
Im Jahre 1387 macht König João I dem Edelmann Diogo Lobo, einem Helden der Schlacht von Aljubarrota, die junge Stadt zur Schenkung.
Knapp 90 Jahre später, im Jahre 1475, vergibt König Afonso V dem Arzt João Fernandes da Silveira, der mit einer Nachfahrin Diogo Lobos verheiratet ist, den Titel eines Barons, und macht somit Alvito zur ersten Baronie Portugals.
Alvito ist in wenigen Jahrzehnten von einem kleinen unscheinbaren Dorf zu einer schmucken Stadt im Alentejo geworden, die es damals leicht mit der Metropole Évora aufnehmen konnte.
Bei der Volkszählung im Jahre 1527 hat Alvito bereits 1724 Einwohner, also viel mehr als heute, und immerhin 364 „fogos“ (dt.: = Wohnungen).
Welche Bedeutung Alvito damals wirklich politisch, wirtschaftlich und kulturell hatte, kann man heute noch an seinen bedeutenden Bauwerken ersehen.
Das imposanteste Bauwerk der Stadt ist wohl die palastartige Burg, die eigentlich mehr ein Herrschaftssitz ist, als eine Wehranlage.
Die Burg (port.: castelo), die auch als „Paço do Barão” (dt.: Palast des Barons) bekannt ist, wurde Ende des 15. Jahrhunderts, im Auftrag des zweiten Barons von Alvito, im manuelistischen Stil erbaut.
Im italienischen Stil sind dagegen der zur Burg gehörende schöne Park und der Gemüsegarten.
In dem Gebäude, das vor wenigen Jahren restauriert wurde, befindet sich heute eine Pousada.
Weitere Sehenswürdigkeiten dieser liebenswürdigen Stadt sind:
• die aus dem 13. Jahrhundert stammende Kirche Igreja Nossa Senhora da Assunção, die die Hauptkirche (port.: Igreja Matriz) der Stadt ist. Das Innere der Kirche ist beachtenswert. Gotische, barocke und vor allem manuelistische Elemente machen sie, ohne Übertreibung, zu einer der schönsten des ganzen Alentejo
• die Kirche Igreja Nossa Senhora das Candeias, ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert, mit wunderschönen Azulejogemälden aus dem 17. Jahrhundert und einem vergoldeten Altar
• die Kirche Igreja de Santo António aus dem 16. Jahrhundert
• die Kapelle Ermida de São Sebastião, ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert, die etwas außerhalb der Stadt liegt
Neben diesen Sehenswürdigkeiten, besitzt Alvito noch etwas ganz Besonderes, das hier eine Erwähnung verdient:
nämlich seine erdverbundenen, arbeitsamen und dennoch feierfreudigen Bürger.
Wer nach Alvito kommt, sollte sich sehr viel Zeit lassen.
Denn Alvito mag zwar klein sein, aber es gibt dort viel zu entdecken!
Mittwoch, 2. November 2011
Alentejo profundo
Portel ist eines jener gepflegten weißen Dörfer und Kleinstädte, wie
man sie im „Alentejo profundo“ (dt.: „tiefsten Alentejo“) sehr oft vorfindet.
Diese weißen Gemeinden verdanken ihr Aussehen, ihren weißgetünchten Häusern, die blaue oder gelbe Fenster- und Türenumrandungen haben.
Es gibt zwei Begründungen, warum die Bewohner im Alentejo ihre Häuser mit diesen farblichen Umrandungen versehen.
Beide Begründungen sind aber eher geschichtlich traditionell als logisch.
So wird seit altersher abergläubisch behauptet, dass die Alentejanos ihre Fenster und Türen deswegen mit blauer und gelber Farbe umrunden, um die bösen Geister fernzuhalten.
Die andere Behauptung ist die, dass ausgerechnet diese zwei Farben angeblich Fliegen und andere lästige Insekten von den Häusern fernhalten können.
Ob das bemalen der Fenster- und Türenumrandungen Geister fernhält, kann ich weder bestätigen noch abstreiten.
Die Behauptung aber, gelbe und blaue Fenster- und Türrahmen würden Fliegen daran hindern in die Häuser einzudringen, ist, gelinde gesagt, ein Ammenmärchen!
Der einzige Sinn, den diese farbigen Umrandungen an den strahlendweißen Häusern zu haben scheinen ist einfach der, dass sie wunderschön aussehen!
Dienstag, 1. November 2011
Portel
Im tiefsten Alentejo, unweit der Distrikthauptstadt Évora liegt die Kreisstadt (port.: vila) Portel, die schätzungsweise 8.100 Einwohner zählt.
Zwischen Évora und Beja liegend, ist Portel heute eine Kleinstadt von großem historischem Wert.
Schon in der Bronzezeit muss die Gegend um Portel besiedelt gewesen sein. Überall hinterlassene Megalithsteine und Dolmen die aus dieser Zeit stammen und in unserer Zeit entdeckt wurden, beweisen dies.
Später besiedelten die Römer die Gegend um Portel.
Die Militärstraße vom römischen Liberalitas Iulia (port.: Évora) führte damals, unweit des heutigen Portel, nach Pax Iulia (port.: Beja).
Die erste feste Ansiedlung aber stammt wohl aus dem Jahre 700, und ist maurischen Ursprungs.
Die Mauren blieben über 500 Jahre in Portel, bis sie von den Portugiesen, im Zuge der Reconquista, Mitte des 12. Jahrhunderts vertrieben wurden.
Im Jahre 1261 wurde Portel von dem Edelmann João Peres de Aboim gegründet, und im darauf folgenden Jahr, 1262, erhielt der Ort, von König Afonso III, seine „carta foral“, seine Stadtrechte.
Im Jahre 1279 wurde auf Anweisung von König Dinis, mit dem Bau der örtlichen Burg (port.: Castelo de Portel), die heute das Wahrzeichen von Portel ist, begonnen.
Ganze 56 Jahre, bis 1325 also, sollte sich deren Vollendung hinziehen.
Sie ist heute das Wahrzeichen der Stadt.
Von ihrem Hauptturm, der Torre de Mensagem, auch Torre de Vale Aboim genannt, hat man eine besonders schöne Aussicht auf die umliegenden Ländereien, Olivenhaine, Felder und den Stausee von Alqueva.
Von historischem Wert in Portel sind, außer der schon erwähnten imposanten Burg, vor allem die vielen reich geschmückten Gotteshäuser.
Die schönsten von ihnen sind:
• die Igreja Matriz de Nossa Senhora da Assunção (dt.: Hauptkirche von Maria Himmelfahrt) – Die im Jahre 1766 fertig errichtete Kirche ist, mit ihren riesigen Azulejobildern, ein Paradebeispiel für die regionale Architektur
• die Igreja da Misericórdia (dt.: Barmherzigkeitskirche) – Im Jahre 1630 ließ der damalige Herzog João von Bragança, der zukünftige König João IV, diese Kirche errichten
• die Igreja do Espirito Santo (dt.: Heiliggeistkirche) – Dieses Mitte des 16. Jahrhunderts erbaute Gotteshaus besticht vor allem durch seinen zweistöckigen Altar der im Rokokostil erbaut wurde
• die Igreja de São Paulo (dt.: Pauluskirche) – Diese Kirche gehört zum gleichnamigen Kloster, der im Oktober 1607 eingeweiht wurde
• die Ermida de São Brás (dt.: Kapelle des Heiligen Blasius) – Diese kleine Kapelle, am örtlichen Friedhof gelegen, ist berühmt für seine Wandfresken aus dem 17. Jahrhundert, die erst im Jahre 2004 bei Restaurationsarbeiten zufällig entdeckt wurden
Außer der Ermida de São Brás sind noch die kleinen Ermidas São Luis, Nossa Senhora da Saúde, Nossa Senhora da Serra, São Pedro, São Lourenço, Santo António und Santa Catarina sehr sehenswert. Die meisten von diesen kleinen Kapellen, die alle außerhalb der alten Stadtmauer liegen (eine „ermida“ ist eine außerhalb der Stadtmauern liegende Kapelle) sind mit einem überreichen Azulejoschmuck ausgestattet
Portel ist, wie alle Städte des Alentejo, eine ländliche Stadt.
Die Bürger der Stadt widmen sich ein wenig dem Weinbau und der Korkproduktion.
Doch das meiste Geld wird in Portel mit der Herstellung von Olivenöl (port.: azeite) gemacht.
In der „Cooperativa Agrícola de Portel“ (dt.: „Agrargenossenschaft von Portel“), dem einzigen großen Arbeitgeber der Stadt, wird das hier in Portugal sehr geschätzte Olivenöl „São Pedro“ hergestellt.
São Pedro Olivenöl ist recht dickflüssig, fruchtig und leicht grünlich. Kenner meinen, er schmecke nach Oliven mit einer leichten Apfel- oder Feigennote.
Ich selber konnte diesen gewissen Apfel- oder Feigengeschmack nicht herausschmecken, kann aber bezeugen, dass dieses Olivenöl besonders gut schmeckt.
In der Genossenschaft gibt es das kleine „Museu do Azeite“ (dt.: Olivenölmuseum), in dem es eine im Stile des 19. Jahrhunderts eingerichtete Ölmühle gibt und in dem man auch die flüssigen Schätze kosten kann.
Ein anderes Museum in der kleinen Stadt ist das wunderschöne und sehr informative „Museu da Freguesia“ (dt.: „Gemeindemuseum“).
Er liegt in der Rua do Espirito Santo, einer der Hauptstraßen des Ortes, und beherbergt eine kleine aber feine Sammlung regionaler Kunstschätze, wie z.B. verschiedene Musikinstrumente, landwirtschaftliche Geräte, alte Schulbücher, Möbel, Geschirr, Werkzeuge, Spielzeug, Küchengeräte und traditionelle Handarbeiten.
Mit seinen weißgetünchten Häusern und den gelb- oder blau bemalten Fenstern und Türen ist Portel auf den ersten Blick eine Kleinstadt, wie es viele in Südportugal gibt.
Aber es ist seine charakteristische Lage zwischen der Serra de Portel und den weiten Ebenen des Alentejo, die diese kleine Stadt zu einem wahren Juwel Portugals machen.