Freitag, 1. Juli 2011
Sparen, sparen, sparen!...
„Spart!
Spart noch mehr!
Und spart noch viel mehr!“
Diese Aufforderung unserer Politiker müssen wir uns hier in Portugal seit Monaten anhören.
Aber viel schlimmer als die hiesigen Politiker, sind die aus dem Ausland, die von uns das Selbe fordern und nicht aufhören, uns gute Ratschläge zu geben!
Es sind keine leichten Zeiten für Portugal.
Das Land ist hoch verschulet, wir müssen tatsächlich massiv sparen, bekommen keine günstigen Kredite mehr und dann sind da auch noch die Ratingagenturen, wie Standard & Poor's und Fitch & Moody's, die nacheinander einfach die Bonität unseres Landes gesenkt haben.
Das hat zur Folge, das nach dem Rating von Standard & Poor's, wir hier in Portugal, was Schulden angeht, sogar unzuverlässiger sind als z.B. Kasachstan.
Das zwingt mich zu einer Frage, die ich mir in letzter Zeit oft gestellt habe:
Was wäre in Deutschland los, wenn die Deutschen so sparen müssten wie wir hier in Portugal und sie konstant so öffentlich gedemütigt werden würden wie wir?
Sparaufforderungen folgen hier auf Sparaufforderungen.
Jetzt plant die neue Regierung sogar ein neues Sparpaket.
Gestern hat Prämierminister Pedro Passos Coelho in der Nationalversammlung (port.: Assembleia Nacional) angekündigt, das durch eine Sonderabgabe (port.: contribução extraordinária) 50% des Weihnachtsgeldes eines jeden Portugiesen am Ende des Jahres vom Staat einbehalten wird.
50% - man muss sich das einmal vorstellen!
Es wird hier im Augenblick, auf Teufel komm raus, gespart.
Mal abgesehen davon, dass selbst aus ökonomischer Sicht, es nicht besonders klug ist, nur zu sparen, drängt sich bei mir vor allem noch eine Frage auf:
Ist den Beobachtern aus der Ferne bewusst, welche Auswirkungen all diese Entscheidungen auf unser Leben hier in Portugal haben?
Alleine in den letzten Monaten wurden hierzulande so viele Ausgaben reduziert, die in Relation zur deutschen Wirtschaft, knapp 250 Milliarden Euro entsprechen würden.
Beim aktuellen Sparpakt, den uns die EU und der IWF Mitte Mai bewilligt haben, ging es um 78 Milliarden Euro.
Umgemünzt auf die Verhältnisse in Deutschland wären das fast 836 Milliarden Euro, in Worten: achthundertsechsunddreißig Milliarden Euro!
Es scheint mir unvorstellbar, dass die deutsche Politik und Wirtschaft so etwas stemmen könnte.
Sicherlich, solche Vergleiche, wie ich sie hier vorbringe, hinken immer, weil sich für gewöhnlich, Zahlen und Daten kaum übertragen lassen.
Dennoch sind solche Vergleiche nützlich, alleine um die derzeitige Situation hier in Portugal zu verstehen.
Was also wären die Folgen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel die portugiesischen Sparmaßnahmen eins zu eins umsetzen müsste, die wir hier aufgebürdet bekommen?
Nun, die erste Folge wäre, dass die meisten Menschen in Deutschland erheblich weniger Geld zur Verfügung hätten.
Ein durchschnittlicher Rentner käme nur noch auf knapp 900 Euro monatlich, anstatt auf gut 1000 Euro, abgesehen davon das unsere Rentner von 900 Euro im Monat nur träumen können.
Ein junger Lehrer würde monatlich nicht mehr rund 3300 Euro brutto, sondern nur noch ca. 3000 Euro verdienen.
Auf fast alle Arbeitnehmer käme einerseits eine Gehaltskürzung von 20, 30 oder gar 50 Prozent, andererseits eine neue Krisensteuer von ein bis vier Prozent, dazu.
Hinzu käme, dass das Leben teurer werden würde, denn auf viele Güter gäbe es deutlich höhere Steuern.
Gastronomen, Tankstellenbesitzer oder Handwerker würden diese wohl größtenteils an uns Verbraucher weitergeben.
Im Einzelfall wären das keine allzu üppigen Preisunterschiede
Doch in der Summe kämme da einiges zusammen – zumal die Menschen ja netto dann über viel weniger Geld verfügen würden als bisher.
Die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt wären miserabel.
Die meisten Unternehmen würden entweder gar nicht mehr einstellen oder nur noch Hungerlöhne bezahlen. Die Zahl der Beamten müsste in den kommenden Jahren um ein Viertel sinken.
Auch die Bildungspolitik würde massiv leiden.
Zwar ist hier, in den portugiesischen Sparplänen, keine Rede von Kürzungen, allerdings spricht auch keiner von Erhöhungen. Sämtliche Projekte in diesem Ressort blieben also erst einmal auf der Strecke.
Als nächstes müsste sich dann Deutschland von einigen wichtigen Besitztümern, wie Immobilien, Ländereien und Staatsbetrieben wie die Deutsche Bahn verabschieden, um auf die unglaubliche Summe von 836 Milliarden Euro zu kommen.
Diese Zahlen zeigen in etwa, wie einschneidend die Bemühungen hier in Portugal sind.
Welche gesellschaftlichen Auswirkungen solche drastischen Einsparungen in Deutschland allerdings hätten, kann man nur schwer abschätzen.
Unzufriedenheit und Unmut wie hier in Portugal und gewalttätige Demonstrationen wie sie derzeit in Griechenland an der Tagesordnung sind, würden wohl auch in Deutschland sicherlich zu erwarten sein.
Alles in allem sind wir Portugiesen wirklich zu bedauern.
Aber um ehrlich zu sein, ist Mitleid wohl das schlimmste, was uns im Augenblick passieren könnte – noch viel schlimmer als das ganze sparen!
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