Montag, 13. Juni 2011
Casa do Voo dos Pássaros
Ich war noch nie ein großer Fan von moderner Architektur.
Vielleicht weil moderne Architektur mir für gewöhnlich fehlende Kreativität, Kälte und Einfachheit vermittelt, während ich in der alten Architektur, sei es in der Gotik, der Romantik, der Renaissance, dem Barock und erst recht in der Manuelinik ein riesiges Potential an Kunstfertigkeit und Wärme sehe.
Die moderne Architektur hat in Portugal, vor allem hier in Lissabon, meiner Meinung nach, in den letzten Jahrzehnten mehr Schäden und Zerstörungen angerichtet, als wenn eine ganze Kompanie Abrissbagger mit ihren respektiven Abrissbirnen durch Lissabon durchgefahren wäre!
Alt und geschichtsträchtig abreißen und neu und modern klotzen, das war bis vor kurzem die gängige Praxis in der Baubranche und in der Architektur hier in Portugal.
Doch die neue Generation von Architekten, die jetzt in Portugal anfängt tätig zu werden, macht dem Land Hoffnung.
Die meisten von ihnen versuchen jetzt nämlich die alten Baustile mit neuem Design zu kombinieren und wenn sie moderne Gebäude bauen, versuchen sie jedem Objekt das gewisse Etwas zu geben.
Einer dieser jungen und außergewöhnlichen portugiesischen Architekten ist der 1972 in Ponta Delgada, auf der Azoreninsel São Miguel, geborene Bernardo Rodrigues.
Auf den Inseln, mitten im Atlantik, lebte Rodrigues bis zu seinem 18. Lebensjahr. Kaum volljährig geworden zog er nach Porto, wo er an der dortigen Hochschule anfing Architektur zu studieren.
Dann zog es ihn in die USA, an die berühmte Columbia-Universität in New York und später nach London, wo er sein Studium erfolgreich beendete.
Seine erste Anstellung, nämlich als Praktikant, fand er 2001 im „Atelier 15“, dem renommierten Büro der Architekten Alves da Costa und Sérgio Fernandez.
Hier wurde er, dank seines Charismas und seiner Energie, die vitale Figur des architektonisch-kulturellen Lebens in Portugal, die er heute ist.
2003 wird er Gastprofessor an der Universität von Palermo in Italien.
Seit 2006 leitet er sein eigenes Architekturbüro in Porto.
In Zusammenarbeit mit der Harvard-Universität begann er später ein Projekt für umweltfreundliches und innovatives Bauen und er verwirklicht heute, dank dieses Projektes, vor allem in China und in den USA, seine kreativen Ideen.
Jetzt hat er solch ein innovatives Bauprojekt auch auf seiner Heimatinsel São Miguel realisiert.
Im Norden der Insel, nahe der Ortschaft Rabo de Peixe, hat er ein modernes Wohnhaus gebaut, welches, so die Meinung des Architekten selbst, „vollkommen mit der Natur im Einklang ist“.
Das Haus, ist auf einem Hügel unweit des Ortes erbaut, und trägt den originellen Namen „Casa do Voo dos Pássaros“ (dt.: „Haus des Fluges der Vögel“ / engl.: „Flight of Birds House“).
Schon von weitem soll das Haus sichtbar sein.
Es soll regelrecht über der Ortschaft „schweben“ mit seinem gewellten Dach und seinen geometrischen Formen.
Aber das einzigartige an diesem Haus ist nicht nur die ausgefallene Architektur, sondern vor allem die Tatsache, dass dieses Haus vollkommen autonom von den üblichen Energiequellen der Insel ist.
Mit der Hilfe der Sonne, dem Wind und sogar dem Regenwasser produziert dieses Haus seinen eigenen Strom!
Es produziert sogar mehr Strom, als es eigentlich verbraucht.
Somit hat Bernardo Rodrigues nicht nur ein, zugegeben, schönes und modernes Gebäude gebaut, sondern ein sehr umfeldfreundliches und nützliches dazu.
Man kann ruhigen Gewissens behaupten, das das Haus ein gelungener Wegweiser für die architektonische Zukunft hier in Portugal ist - wenn nicht sogar weltweit!
Andere nationale und internationale Auftragsarbeiten des jungen Architekten sind, unter anderem, das „The Bow and Orchid Hotel“ (port.: „Hotel O Arco e a Orquídea“ / dt.: „Bogen und Orchideen Hotel“) im chinesischen Xian, das „Jade Hotel“ (port.: „Hotel de Jade“ / dt.: „Hotel Jade“) in Shanghai, die „Capela da Luz Eterna“ (dt.: „Kapelle des Ewigen Lichtes“) auf den Azoren und die „Casa da Explicação do Universo“ (dt.: „Das Haus der Erklärung des Universums“) im portugiesischen Constância.
Alles außergewöhnliche und originelle Bauwerke; so außergewöhnlich und originell das der Künstler uns Betrachtern zugestehen muss, das wir diese für alles Mögliche halten, nur nicht für „unauffällig“…
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