Montag, 26. April 2010
Boa Hora
Gerstern, auf dem Weg vom Chiado zum Cais do Sodré, führte mich der Weg über die Rua Nova do Almada, am Alten Gericht „Boa Hora“ (port.: Tribunal da Boa Hora) vorbei.
Dieses alte Gebäude, ein ehemaliges Kloster irischer Dominikaner, wurde 1677 erbaut und vor 166 Jahren zum Gerichtsgebäude umgebaut.
In ihm fanden historische Prozesse statt, wie zur Zeit der Diktatur, die Prozesse gegen die oppositionellen Politiker Mário Soares und Álvaro Cunhal, die ins Exil gehen mussten, und in neuerer Zeit etwa die Korruptionsprozesse gegen Pedro Caldeira und den Ex-Benficapräsidenten Vale e Azevedo.
Heute ist das Gerichtsgebäude geschlossen, da die Stadtverwaltung Mitte letzten Jahres verschiedene Gerichte zusammengelegt hat, und in den Osten der Stadt verlegt hat.
Aus dem nun verlassenen Haus hätte ein Luxushotel werden sollen.
Aber durch eine Unterschriftsaktion und dem vehementen „Nein“ einer Bürgerinitiative wurde die Idee fallen gelassen, aus dem alten Gericht eine Luxusherberge für Touristen zu machen.
Ich habe mich oft gefragt, zumal jetzt, da das Gebäude leer steht und dazu verurteilt ist, zu vergammeln, warum die Einwohner des Cais do Sordé, und da vor allem die Geschäftsleute, so stark gegen ein Luxushotel in ihrem Stadtviertel waren, zumal sie ja die größten Nutznießer eines solchen gewesen wären, so dachte ich.
Aber wahrscheinlich wollen die Einwohner des Cais do Sodré einfach nicht, dass ihr Stadtviertel einmal als Synonym für Tourismus steht, so wie heute die Alfama oder Belém.
Oder sie wollen nicht, wie die Einwohner der neuen Stadtteile im Osten, das ihre Bürgersteige schon um 20 Uhr hochgeklappt werden, weil sie nur tagsüber die Menschen anziehen.
Und bestimmt wollen sie nicht, wie die Einwohner des Bairro Alto, jede Nacht ins Bett gehen mit dem Wunsch es würde schon bald wieder Morgen sein, weil sie genau wissen, ihr Stadtteil wird über Nacht von marodierenden und alkoholisierten Jugendlichen „überfallen“ werden.
Das Geheimnis des Cais do Sodré ist die gesunde Mischung der „Klassen“.
Hier lebt die gutbürgerliche Mittelklasse neben dem einfachen Arbeiter, die wohlhabenden Ärzte neben den Prostituierten, und die fleißigen Handwerker neben dem Metzger, dem Bäcker und dem Tante-Emma-Ladenbesitzer.
Und alle kommen sie miteinander gut aus in ihrem Stadtteil.
Ein Luxushotel würde eventuell diese Infrastruktur nur zerstören.
Aber vielleicht findet sich ja ein anderer Verwendungszweck für das alte Gericht Boa Hora.
Vielleicht wird aus dem Tribunal ja ein Theater, ein Kino oder eine Bibliothek.
So viel ich weiß, hat Kultur noch Niemanden geschadet!
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