Samstag, 11. Juli 2009
Jedes Foto hat seine eigene Geschichte – Cada foto é uma história
In meinem vorherigen post, mit dem Titel „Mit den Überseekriegen kam das Ende des Imperiums“ erwähnte ich beiläufig, das drei meiner Onkel an den Überseekriegen (Guerras do Ultramar) teilnehmen mussten, um, wie es das Salazarregime damals ausdrückte, der Nation zu dienen.
Einer von ihnen, mein Onkel Raul Rodrigues Pires, ist der Bruder meiner Mutter Luisa und auch mein Patenonkel.
Ihm möchte ich nun dieses post hier widmen, und ein wenig über seine Militärzeit in Portugiesisch Guinea (Guiné Portuguesa), an der Westküste Afrikas, erzählen.
Seine Geschichte steht stellvertretend für die tausender anderer junger Soldaten, die ihren Dienst an der Waffe für Portugal in Afrika verrichten mussten.
Mein Onkel Raul wurde am 20. Mai 1942 in Lissabon geboren und besuchte dort die Schule. In der Hauptstadt verbrachte er auch seine Kindheit und seine Jugend.
Mit 19 Jahren, im Herbst 1963, begann er seinen Militärdienst in der Stadt Castelo Branco, im Norden Portugals.
Dort, in Castelo Branco erhielt er dann auch seinen Einberufungsbefehl nach Portugiesisch Guinea. Nach einer Trainingsphase in den Kasernen von Tomar und Santa Margarida im Norden Portugals, wurde er im Juli 1964 mit seinen Kameraden, auf dem Transportschiff „India“ nach Portugiesisch Guinea verschifft, wo er am 21. Juli im Hafen von Bissau ankam.
In Guinea angekommen, wurde er mit seinem Bataillon (Batalhão Caçadores 6/97 = Feldjägerbataillon 6/97) in Fá stationiert, einer Ortschaft, Mitten im afrikanischen Urwald, die zwischen den Städten Bambadinca und Bafatá, lag. In Fá blieb er dann die meiste Zeit seines Militärdienstes. Er verließ Fá nur um an militärischen Operationen gegen die marxistisch orientierten Guerillakämpfer teilzunehmen.
So nahm er unter anderem, im März 1965, an der erfolgreichen Befreiung der Halbinsel Ponta do Inglês im Westen des Landes, teil.
Im Gegensatz zu heute, wo jeder ein Handy mit Fotokamera oder eine Digitalkamera zur Hand hat, waren damals private Fotographien eine Ausnahme.
Auch achteten die Militärs, durch Zensur, darauf das nicht jedes Fotos nach Portugal geschickt werden konnte. So waren Fotos, auf denen Kriegshandlungen oder verletzte Soldaten zu sehen waren, verboten. Denn das Risiko das sich im Mutterland Portugal viele gegen die Kolonialkriege aussprechen würden, wenn sie solche gewalttätigen Bilder sehen würden, war gegeben.
So passierten nur Fotos die Zensur, auf denen die Soldaten bei gemeinsamen Aktivitäten, wie Sport, Essen und Trinken, Musizieren und Feiern zu sehen waren.
Bilder auf denen sich Soldaten mit Tieren Westafrikas zeigten, oder mit der ortsansässigen Bevölkerung ablichten ließen, wurden ohne weiteres an ihre Familien in Portugal durch die Feldpost gesendet. Fotos aber, auf denen kriegerische Aktivitäten nur andeutungsweise zu sehen waren, wurden sofort aussortiert und nicht weitergegeben.
So hatten die Familien der Soldaten daheim, den Anschein, dass die Überseekriege gar nicht so gefährlich waren, wie es die ausländischen Presseagenturen berichteten.
Viele, viele Jahre später, während der beiden Golfkriege, sollten die Amerikaner genau diese Fotozensur verwenden, um die Familien und Freunde der Soldaten die im Irak ihren Dienst versahen, hinters Licht zu führen.
Auf der Rückseite eines seiner Fotos, die mein Onkel Raul regelmäßig seiner damaligen Verlobten Albertina, meiner heutigen Tante, seiner Mutter und seinen Schwestern sendete, schrieb er folgenden Vierzeiler, welches ich hier gerne übersetzen will:
„Cada foto é uma história,
Que eu tenho para contar,
À minha querida familia
Quando eu a casa chegar.
(Raul Rodrigues Rires, 25.08.1964, Fá – Guiné Portuguesa)
Jedes Foto hat eine eigene Geschichte,
die ich Euch erzählen werde,
wenn ich, liebe Familie
zu Euch nach hause Wiederkehre.
(Übersetzung von Paulo Alves, 10.07.2009)
Mein Onkel Raul blieb zwei Jahre in Portugiesisch Guinea. Er erlebte viel, sah viel Unglück und wurde mehrmals mit dem Tod konfrontiert. Viele seiner Kameraden starben und blieben in Afrika. Guinea wurde für Portugal das, was Vietnam für die Amerikaner noch werden sollte.
Doch Gott sei Dank, kehrte er im 03. Mai 1966 gesund nach hause zurück. Im gleichen Monat, am 12. Mai, wurde ich geboren und er wurde mein Patenonkel.
Wie in seinem Vierzeiler versprochen, so kann er uns heute, Gott sei Dank, viele, viele Geschichten erzählen!
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