Die Tatsache das Portugal im Zweiten Weltkrieg neutral geblieben ist, und somit keine eigenen Opfer auf den Schlachtfeldern der Welt erleiden musste, sehen heute noch viele Portugiesen als ein Glücksfall der Geschichte an. Trotz all der Entbehrungen die die Portugiesen über sich ergehen lassen mussten, kamen sie recht gut davon und mussten nicht wie andere Nationen hungern, kriegsleiden und sterben. Von diesem Standpunkt ausgesehen, waren die Kriegsjahre für Portugal Glücksjahre.
Aber 1942 sollte sich als „das“ Glücksjahr schlechthin erweisen. Denn in diesem Jahr kam der armenische Ölmilliardär Calouste Sarkis Gulbenkian nach Lissabon - und blieb.
Gulbenkian wurde am 1. März 1869, in der Nähe von Istanbul als Sohn eines wohlhabenden armenischen Petroleumhändlers geboren. Schon als Kind zeigte er Interesse an Kunst. Man erzählt sich, dass er als Siebenjähriger mit seinem Taschengeld eine alte Münze auf einem Flohmarkt in Istanbul ergatterte. Diese Münze sollte das erste Stück der berühmten Gulbenkian-Sammlung werden. Sie ist heute im gleichnamigen Museum ausgestellt.
Mit 18 Jahren zog Gulbenkian nach England und fing an Ingenieurwissenschaften an der Londoner Universität zu studieren. Mit erst 22 Jahren besuchte er dann Mesopotamien, im heutigen Irak, und erforschte die dortigen Ölfelder. Der Forschungsbericht den er verfasste veranlasste eine internationale Kommission zu Probebohrungen und damit begann Gulbenkians Karriere und Iraks Ölförderung.
Als einer der Gründer der Iraq Petroleum Company handelte er 1928 mit Shell, BP und Mobil die Aufteilung der Gesellschaft aus und sicherte sich eine 5%-Beteiligung – daher auch sein Spitzname „Mister Five Percent“ - an den drei heutigen Multis. Zeitweilig galt Calouste Gulbenkian sogar als der reichster Mann der Welt.
Gulbenkian war nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern auch ein eifriger Sammler. Aber er kaufte Kunst nicht einfach drauf los.
Nein, man erzählt sich, dass er jedes einzelne Objekt gnadenlos vor dem Erwerb studierte. Manche Stücke bewahrte er monatelang in seinem Haus auf, bis er endlich zu dem Entschluss kam ob er es kaufen oder nicht kaufen sollte. Für den Erwerb des Tafelsilbers der russischen Zarenfamilie z.B., brauchte er über vier lange Jahre!
Calouste Gulbenkian kam ungewollt nach Portugal.
Er war im Unfrieden aus London weggegangen. Ihm, der 1902 die britische Staatsangehörigkeit angenommen hatte, wurden nun die Gewinne aus seinen Geschäften plötzlich als Feindeseigentum beschlagnahmt. Nach Istanbul konnte er nicht, denn dort herrschte der Krieg. Und auch in Paris, wo er lebte, wurde es ihm langsam zu unsicher, denn die deutschen Truppen kamen immer näher.
Eigentlich wollte er nach Amerika auswandern, als er eines Abends in London, dem portugiesischen Botschafter in Großbritannien, Armindo de Sttau Monteiro begegnete, und der ihm anbot nach Lissabon zu kommen. Als der Botschafter ihm diesen Vorschlag machte, konnte sich keiner erträumen das Gulbenkian später einmal all sein Vermögen nach Portugal bringen würde und hier seine Stiftung gründen würde.
Aber Gulbenkian sollte niemals vergessen, dass das friedliche Lissabon, das er bis dahin noch nicht einmal kannte, ihn 1942 liebenswürdig, gastfreundlich und mit offenen Armen empfangen hatte.
Bis zu seinem Tod, im Jahre 1955, wohnte er in einer luxuriösen Suite des Hotels Aviz (da, wo heute das Sheraton steht). Er starb ohne Ehefrau und kinderlos.
Als er starb hinterließ er all sein Geld (es sollen nach heutigem Wert mehr als 6 Milliarden Dollar gewesen sein) der von ihm gegründeten Stiftung „Fundação Calouste Gulbenkian“ in Lissabon.
Von der Stiftung, die alljährlich mehrere hundert Millionen abwirft, und die mit ihrem beträchtlichen Vermögen ein kleiner Staat im Staate ist, wird die Hälfte für die Kunst ausgegeben. Aber auch die Wohltätigkeit, die Wissenschaft und die Erziehung profitieren von Gulbenkians Geld. Aus dem kulturellen Leben des Landes ist die Stiftung nicht mehr wegzudenken: Sie vergibt Stipendien und Auslandsstipendien, veranstaltet Konzerte, Filmretrospektiven, Kurse, wissenschaftliche Tagungen, unterhält ein weltberühmtes Ballett, ein Observatorium, mehrere Konzertsaale, leitet eine wertvolle Bibliothek und führt natürlich das einzigartige Museum in Lissabon, sowie ein anderes in Paris. Zum Museum in Lissabon gehört auch ein riesiger Park, der der Öffentlichkeit zugänglich ist. Im Museumscafé kann man wunderbar frühstücken oder nachmittags sein Kaffee trinken.
Um sich eine Vorstellung von der Höhe des Geldbetrages zu machen (ich konnte es bis zur Recherche dieses Textes nicht!) von dem wir hier reden, so muss man wissen das der zur Verfügung stehende Gesamtbetrag der alljährlichen Gelder der Gulbenkianstiftung mehr als doppelt so groß ist, wie die Mittel der Rockefeller Foundation in New York!
Calouste Sarkis Gulbenkian sagte einmal: „Ich bin unwiderstehlich jeglichem Ausdruck von Kunst und Schönheit verfallen“.
Wir danken ihm dafür, von ganzem Herzen!
Anmerkung: Ich werde in einem späteren post ausführlicher über das Gulbenkian-Museum und seine Kunstschätze, in der Avenida de Berna, schreiben.
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